Die Mauern spielten ehemals für die Weiden an den Hängen eine wichtige Rolle und sind Zeugnisse der Kultur
Ein besonderes Stein-Projekt fand im Juni 2022 im Kleinwalsertal in Österreich statt: aus dem gut 200 km entfernten Stuttgart war eine Gruppe von 40 Azubis angereist, um eine 200 Jahre alte und 700 m lange Trockenmauer im Gebirge neu aufzubauen und zu sichern. Die Jahre hatten dem Bauwerk, das sich von weitem sichtbar über die Bergwiesen zieht, arg zugesetzt, teilweise waren die ohne Mörtel zusammengesetzten Steine auseinandergefallen und am Hang abwärts gerollt.
Die Azubis kamen von 12 Betrieben und hatten ihre Ausbilder mitgebracht. Denn: neben dem Knowhow, wie Trockenmauern zu errichten sind, gehörte auch Teambuilding zu den Lernzielen.
Zum Beispiel: Kooperieren bei der Arbeit lernten die jungen Leute eher beiläufig: Steine schafft man am besten hangaufwärts, indem man eine Kette bildet und sie sich gegenseitig zuwirft, bei schweren Brocken muss man gemeinsam anpacken.
Das morgendliche Aufsteigen vom Nachtquartier in der Berghütte zur Baustelle mit dem phantastischen Panoramablick war an jedem der drei Projekttage ein emotionaler Start.
Die Arbeit war für die jungen Leute auch Geschichtsunterricht: die Steine wurden ehemals aus den Bergwiesen herausgesammelt, um mehr Fläche für Gras zu schaffen und um Verletzungen der Weidetiere zu vermeiden; die Mauern aus diesen Lesesteinen dienten als Einzäunung der Weiden oder um das Terrain der Dörfer gegeneinander abgrenzten.
Die sanierte Mauer trennte ehemals die Alpen (Weiden) Ifersgunt und Halden und gleichzeitig die Gemeinden Bezau und Egg.
Sie wurde 1816 errichtet und ist in den Archiven penibel beschrieben: dreieinhalb Fuß Breite, vier Fuß Höhe, mitten durch eine vorherige Ur-Alpe, also eine Weide noch ganz ohne Markierungen. Die Region ist heute als Bregenzerwald bei Touristen beliebt, der Berg mit dieser Trockenmauer ist der Hählekopf, Teil des Europaschutzgebiets Ifen.
In Österreich und der Schweiz gibt es zahlreiche Initiativen, die sich um den Erhalt der Trockenmauern am Berg kümmern. Denn zum einen sind es Kulturgüter, zum anderen bieten sie wichtige Lebensräume für Tiere und Pflanzen im rauen Gebirgsklima.
In vielen Fällen sichern sie auch die Hänge gegen Rutschungen oder Lawinen. Dann sind sie entweder als Stützen direkt am Hang platziert oder stehen in geringem Abstand davor, so dass die Schneemassen dahinter abgefangen werden.
Dokumente belegen, dass in der Schweiz zwischen 1876 und 1938 ungefähr 100 km solcher Trockenmauern mit bis zu 9 m Höhe errichtet wurden.
Das österreichische Bundesland Vorarlberg, zu dem das Kleinwalsertal gehört, hat seine Bergmauern in einem Inventar aufgelistet.
Die für die Mauer am Hählekopf verwendeten Steine sind der Schrattenkalk und der Brisi-Sandstein. Der Sandstein eignet sich besser, weil er von Natur aus eckiger ist und so die einzelnen Steine kompakter zusammenhält.
Mauerrestaurierung im Kleinwalsertal
Europaschutzgebiet Ifen (Naturvielfalt Vorarlberg)
Fotos: Facebook-Seite Die Landschaftsgärtner
(12.09.2022)