Steinmetzin Orianne Pieragnolo und Steinmetz Louis Dutrieux haben ihre „Route de la Pierre“ (Steintour) in Angriff genommen

Orianne Pieragnolo und Louis Dutrieux auf der 1. Etappe in Deutschland.

Die beiden wollen mit dem Fahrrad bis nach China fahren und unterwegs die Steinarchitekturen und die Kulturen kennenlernen

Von den amerikanischen Astronuten der Apollo-Missionen ist bekannt, dass sie bei den Flügen zum Mond eine seltsame Beobachtung machten: man wäre ein paar Tage unterwegs und käme am Ende zwar irgendwo an, aber man wäre nirgendwo vorbeigekommen, weil das Weltall wirklich leer sei. Diese Erfahrung werden Orianne Pieragnolo und Louis Dutrieux bei ihrer „Route de la Pierre“ (Steintour) mit Sicherheit nicht machen, und man kann es schon aus den ersten Eintragungen in ihrem „Journal de Bord“ (Logbuch) auf Facebook herauslesen: sie waren schon in Basel und haben dort die Bauhütte des Doms besucht; zuletzt haben sie bei einem Steinmetz in Deutschland am Bodensee gearbeitet und dort viel über die Traditionen seines Berufs in Deutschland erfahren.

Wir geben in unserem Bericht den Stand der Dinge bei unserem Redaktionsschluss am 20. September wieder.

Am 24. August hatten sie eine Erfahrung gepostet, die jeder kennt, der ein Abenteuer beginnt: „Burgund, von wo wir am 10. Juli aufgebrochen sind, scheint schon auf der anderen Seite der Welt zu liegen, aber von China haben wir noch nicht einmal einen kleinen Luftzug bekommen.“

Die gesamte Route.

Orianne und Louis sind eine 27-jährige Steinmetzin und ein 30-jähriger Steinmetz, die sich mit Fahrrädern auf eine große Reise durch Eurasien aufgemacht haben: während 5 Jahren wollen sie 34 Länder von Ostfrankreich bis China und zurück hinter sich bringen. Die Strecke ist mit 36.000 km veranschlagt.

Wohlgemerkt: es handelt sich nicht einfach um eine ausgedehnte Fahrradtour, sondern um eine „Expedition“, wie sie schreiben, eine Forschungsreise gewissermaßen: die beiden wollen entlang der alten Seidenstraße die Architektur mit Naturstein dort und die (Bau-)Kultur der Länder entdecken, dabei aus ihren Beobachtungen lernen und auch ausländisches Know-how mitbringen.

Das Arbeiten bei Steinmetzen vor Ort gehört zum Konzept, ähnlich wie man es von der Wanderschaft der Handwerker kennt. Diese europäische Tradition lebt auch in Frankreich weiter, dort trägt sie den Titel „Compagnons du Devoir et du Tour de France“.

Allerdings ist das Konzept der beiden sehr anders: sie wollen nicht ein paar Jahre am Stück unterwegs sein, sondern nur in den Sommern bestimmte Strecken hinter sich bringen. Danach geht es zurück nach Frankreich, um dort das Erlebte und Gelernte zu verarbeiten.

Auch sind sie bei ihrer Tour keineswegs auf sich gestellt.

Orianne Pieragnolo und Louis Dutrieux auf der Messe Rocalia in Lyon.

Vielmehr haben sie sich ein Team sozusagen an Bord geholt, das an der Vorbereitung beteiligt war und unterwegs per Internet virtuell mit von der Partie ist. Fünf Personen umfasst dieses Team, wie in der französischen Variante ihres „Dossier de Presentation“ beschrieben: „Da ist Manon, eine Fotografin, die vor Ort sein wird, um unsere Erfahrungen zu dokumentieren. Estelle, eine Webentwicklerin, die unsere Website erstellt und von Frankreich aus unser Tun und Lassen verfolgt. Viviane, Architektin und Stadtplanerin, die uns bei der Archivierung der Daten hilft, die wir sammeln. Simon, ein begeisterter Fahrraddesigner, unterstützt uns in Sachen Ausrüstung. Jules, ein Liebhaber der geopolitischen Beobachtung, der uns auf unserer Route leiten und uns vor potenziellen Gefahren vor Ort warnen soll. Claire, deren Kommunikationstalent und Teamorganisation uns wertvolle Ratschläge gibt.“

Einmal im Monat gibt es auf einer Facebook-Seite die aktuelle Mitteilung zum Stand der Dinge.

Derzeit sollten sie auf dem EuroVelo 6 (Europa-Fernradweg) Flussabwärts entlang der Donau
vorankommen. Rumänien ist das vorläufige Ziel.

Im nächsten Jahr soll es dann zunächst mit dem Schiff über das Schwarze Meer weitergehen und danach weiter über einen der südlichen Arme der alten Seidenstraße von Georgien durch die -tan-Länder bis nach Kasachstan.

Olianne ist Architektin und hat sich nach dem Studium auf das Steinmetzhandwerk verlegt. Louis hat lange als Steinmetz gearbeitet und war bei zahlreichen Restaurierungen im In- und Ausland dabei. 2019 reisten beide nach Kanada und konkretisierten dort die Idee ihrer Route de la Pierre.

Zu den 5 Jahren Vorbereitung seitdem gehörten zuletzt eine Crowdfunding-Kampagne, die ihnen etwas über 3900 € einbrachte, und im Frühjahr 2022 ein paar Testwochen durch Frankreich unter anderem mit einem Besuch im Steinbruch des Massangis Kalksteins der internationalen Firma Polycor gemacht.

Während dieser Touren ging es zum Beispiel darum, die Ausrüstung inklusive bestimmter Steinmetzwerkzeuge zusammenzustellen und zu sehen, wie sich das alles in 4 Satteltaschen verstauen lässt. Im vergangenen Winter präsentierten sie ihre Idee auf der Messe Rocalia in Lyon.

Bisher war das Schicksal ihnen hold: von der Materialknappheit infolge der Corona-[Covid-19]Pandemie waren sie nicht betroffen und, so heißt es in ihrem Logbuch, dass sie ihre neuen Fahrräder wie bestellt im Februar 2022 bekamen, dies mitsamt den besonderen Anpassungen für die Langstreckentour.

In ihrem 1. Logbuch-Eintrag berichten sie von einer Besonderheit im Europa der Gegenwart: auf einer Strecke von wenigen Kilometern hatten sie 3 Grenzen überquert, nämlich zwischen Frankreich, der Schweiz und Deutschland, und eigentlich gar nichts davon bemerkt.

La Route de la Pierre

Dossier de Présentation (englisch, französisch)

EuroVelo 6

Am Wegesrand gibt es immer wieder originelle Zeugnisse von Bautätigkeit in einem Land.

(07.10.2022)