Dennoch gibt es dort keinen Ozean, sondern nur sehr wasserhaltiges Gestein, das nicht einmal tropfen würde
Die Übergangszone zwischen oberem und unterem Erdmantel enthält große Mengen Wasser. Dies hat eine internationale Studie ergeben, an der das Institut für Geowissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt beteiligt war. Das deutsch-italienisch-amerikanische Forscherteam hatte einen seltenen Diamanten aus 660 m Tiefe mithilfe unter anderem von Raman-Spektroskopie und FTIR-Spektrometrie analysiert. Die Studie zeigt, was bisher lange Zeit nur vermutet wurde: Ozeanwasser gelangt zusammen mit abtauchenden tektonischen Platten bis in die Übergangszone.
Übergangszone (transition zone, TZ) heißt die Grenzschicht, die den oberen und den unteren Erdmantel voneinander trennt. Sie liegt zwischen 410 und 660 km Tiefe. Mit den abtauchenden Platten werden auch Tiefseesedimente huckepack mit ins Erdinnere transportiert. Diese Sedimente können große Mengen Wasser und CO2 speichern. Wie viel davon aber die Übergangszone erreicht, war bisher unklar. Und damit auch, ob dort tatsächlich große Mengen an Wasser gespeichert sind.
Jedoch hatte es schon lange Mutmaßungen darüber gegeben: „Aufgrund bestimmter Minerale dort könnte die Übergangszone theoretisch das Sechsfache der Wassermenge unserer Ozeane aufnehmen,“ so Professor Frank Brenker vom Institut für Geowissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt.
Das internationale Forscherteam analysierte einen Diamanten aus dem afrikanischen Botswana. Er ist in 660 km Tiefe entstanden, direkt im Kontaktbereich der Übergangszone mit dem unteren Erdmantel, wo Ringwoodit das typische Mineral ist. Diamanten aus dieser Zone sind sehr selten, selbst bei den ohnehin schon seltenen Diamanten mit supertiefem Ursprung, die nur ein Prozent der Diamanten ausmachen.
Die Analysen ergaben, dass der Stein zahlreiche Ringwoodit-Einschlüsse hat – und diese einen hohen Wassergehalt aufweisen.
Zudem konnte die Forschergruppe die chemische Zusammensetzung des Steins ermitteln. Diese entspricht ziemlich genau der Zusammensetzung beinahe jeder Erdmantelknolle, die sich weltweit in Basalten finden lässt. Damit steht fest, dass der Diamant ursprünglich aus einem normalen Stück Erdmantel stammt.
Jedoch ist die Erkenntnis nicht der Beweis für Jules Vernes alte Romanidee, dass es im Erdinneren einen Ozean gebe. Es gibt fort lediglich Gestein mit einem hohen Wassergehalt, das sich laut Brenker nicht einmal feucht anfühlen würde und auch nicht tropft.
Jedoch: Der hohe Wassergehalt in der Übergangszone verändert die dynamische Situation in der Erde, denn der Erdmantel darüber und darunter kann nicht annähernd so viel Wasser aufnehmen. Wozu das führt, zeigt sich zum Beispiel an von unten kommenden heißen Mantle Plumes, die unterhalb der Übergangszone hängenbleiben. Dort heizen sie die wasserreiche Übergangszone auf, was zur Folge hat, dass sich dort neue, kleinere Mantle Plumes bilden.
Wandern diese kleineren, wasserhaltigen Mantle Plumes dann weiter nach oben und durchstoßen die Grenze zum oberen Erdmantel, passiert Folgendes: Das in den Mantle Plumes enthaltene Wasser wird freigesetzt, wodurch der Schmelzpunkt des aufstrebenden Materials sinkt. Es schmilzt also sofort und nicht erst kurz bevor es die Oberfläche erreicht, so wie es normalerweise passiert.
Als Folge davon sind die Gesteinsmassen in diesem Teil des Erdmantels insgesamt weniger zäh als üblich, was den Massenbewegungen mehr Dynamik verleiht. Die Übergangszone, sonst eigentlich eine Barriere für die Dynamik, wird plötzlich zum Antrieb im globalen Stoffkreislauf.
Tingting Gu, Martha G. Pamato, Davide Novella, Matteo Alvaro, John Fournelle, Frank E. Brenker, Wuyi Wang, Fabrizio Nestola: Hydrous peridotitic fragments of Earth’s mantle 660 km discontinuity sampled by a diamond. Nature Geoscience (https://www.nature.com/articles/s41561-022-01024-y)
Quelle: Goethe-Universität Frankfurt am Main
(18.10.2022)