Rohblöcke aus Stein oder auch Schotterladungen dienten und dienen häufig als Schiffsbalast. Denn das Material ist schwer, kann also tief unten im Schiffsbauch ein Wasserfahrzeug zuverlässig stabilisieren, und lässt sich zudem am Zielort verkaufen. Auf diesem Weg sollen die ersten Grabsteine aus Indien nach Großbritannien gekommen sein, die dann im 20. Jahrhundert den europäischen Friedhofsmarkt eroberten.
In umgekehrter Richtung fuhren schon im 15. Jahrhundert große Steinsäulen in den Schiffsbäuchen mit, als die Portugiesen entlang der Küste Afrikas nach Süden segelten und hofften, irgendwo eine Passage zu den Gewürzinseln weit im Osten zu finden.
Padrões (Einzahl: padrão) heißen diese vorgefertigten portugiesischen Kalk- und Sandsteine auf großer Fahrt.
Primär waren diese Wappensteine Zeichen der Landnahme an einer Küste: mit der Aufstellung der Säulen erklärten der portugiesische Kapitän und seine Mannschaft, dass sie an einem bestimmten Tag an jenem Punkt angelandet waren und dass sie dieses Terrain für ihren König in Lissabon in Besitz nahmen.
Die Formulierungen auf den Inschriften waren so formuliert, als wäre jener Punkt der Erde zuvor nie von Menschen betreten worden und als hätte es dort nie Einheimische gegeben.
In die Frontseite der Säule war oben in einem erweiterten Bereich das Wappen des Königs eingemeißelt. Die anderen Seiten trugen die Botschaft. Wir geben diejenige vom Padrão de Santo Agostinho wieder, die der Seefahrer Diogo Cão im August 1483 am heutigen Cabo Santa Maria im Süden Angola aufstellen ließ: „Im Jahr 6681 der Erschaffung der Welt, im Jahr 1482 der Geburt unseres Herrn Jesus Christus, des Höchsten. Der herausragende und mächtige Prinz und König Dom João II von Portugal ließ dieses Land von Diogo Cão, dem Diener seiner Herrschaft, entdecken und diese Säule aufstellen.“
Vermutlich war das Aufstellen solcher Säulen ein häufiger Vorgang. Der erwähnte Padrão de Santo Agostinho jedenfalls war der 2. von insgesamt vier, die Diogo Cão bei jener Reise versetzte.
Dokumente belegen, dass zahlreiche weitere entlang der Ost- und auch der Westküste Afrikas platziert wurden, dies von berühmten Namen der Schifffahrt wie Bartolomeu Dias oder Vasco da Gama.
Später stellten die Portugiesen Wappensäulen auch als politische Denkmale auf, etwa in Cananéia an der Küste des heutigen Brasiliens als Erinnerung an den Vertrag von Tordesilhas.
Dass die Portugiesen zu Ostern 1500 überhaupt an die Küste Südamerikas geraten waren, hängt wiederum mit der Suche nach dem Seeweg nach Indien zusammen: zu jenem Zeitpunkt war klar, dass das Segeln südwärts entlang der Küste Afrikas zu mühselig war, weil dort der mächtige Bengualastrom nach Norden kommt; man wusste aber auch, dass es im Südatlantik eine Kreisbewegung im Meer gab, dass also, wenn man zunächst Richtung Westen fahren würde, dann nach Süden abbog und in einem weiten Bogen wieder Richtung Osten zurückkehrte, man mit vergleichsweise geringer Mühe die Südspitze Afrikas erreichen würde.
„Volta do Mar“, Rückkehr vom Meer, wurde diese geniale seemännische Idee genannt.
Übrigens: im Nordatlantik gibt es dieselbe Kreisbewegung: wer etwa von den Azoren in Richtung Karibik fährt, kommt von dort mit dem Golfstrom entlang der Küste der heutigen USA wieder nach Norden und nach Europa zurück. Man kann vermuten, dass Columbus das zumindest ahnte, als er im Dienst der Spanier einen Weg nach Indien suchte.
Er versuchte es westwärts, und war früher erfolgreich als die Portugiesen, die es in östlicher Richtung probierten.
Jedenfalls müssen damals unter den Mannschaften an Bord auch Leute gewesen sein, die mit Hammer und Meißel einen Stein beschriften konnten. Das Heraufhieven der schweren Padrões aus dem Schiffsbauch war wohl ein Vorgang, den jeder an Bord kannte und beherrschte.
Das Beispiel der Wappensteine zeigt einmal mehr, wie professionell die damaligen Entdeckungsreisen organisiert waren.
Forschungen zum 500. Jahrestag der Entdeckung Brasiliens haben erbracht, dass zwar das Risiko bei solchen Touren extrem hoch war, aber dass ein Schiff, das voll beladen mit Gewürzen aus Asien zurückkam, eine, in heutigen Worten, extreme Rendite abwarf: nach den genauen Regeln der Entlohnung blieb selbst für den einfachen Schiffsjungen so viel Ertrag, dass er für den Rest des Lebens ein gemachter Mann war.
Sofern er das viele Geld nicht auf dem Heimweg zu seiner Familie gleich wieder verlor.
Und: sofern die Reise überhaupt mit einer Rückkehr gesegnet war. Denn schon das Umfahren der Südspitze Afrikas auf dem Hinweg war ein Vorhaben auf Leben und Tod.
Sprichwörtlich für fürchterliches Wetter steht auf der anderen Seite des Atlantiks das Kap Horn, das für die Umrundung von den Besatzungen der damaligen Nussschalen einen übermenschlichen Kampf gegen die Naturgewalten verlangte.
Das Kap auf der afrikanischen Seite ist genauso schlimm und hieß deshalb bei den portugiesischen Seefahrern auch gleich Cabo das Tormentas, Kap der Stürme. Der portugiesische König aber verfügte später, dass der Name Cabo da Boa Esperanza sich besser eigne für das Tor zu den großen Reichtümern der Gewürzinseln – Kap der Guten Hoffnung.
(28.11.2022)