„Velata“ von Raffaello Galiotto für Margraf: Momentaufnahme, wenn der Wind unter eine Tischdecke gefahren ist und den Stoff auf der einen Seite wegdrückt beziehungsweise auf der anderen flattern lässt

Kollektion „Velata“ von Raffaello Galiotto für Margraf.

Man merkte es an den Besucherreaktionen am Stand der italienischen Marmorfirma Margraf auf der Messe Salone del Mobile an, dass das Kernstück in der neuen Kollektion „Velata“ (Verschleiert) etwas ganz Besonderes war: sie gingen um das massive Stück aus weißem Marmor herum, betasteten seine Faltenwürfe, zückten die Handys, und man sah förmlich, wie sie das ganz zu verstehen suchten, was ihnen an diesem massiven Stück Marmor einerseits so bekannt vorkam, was andererseits aber so ungewöhnlich war.

Es ging uns genauso, und wir haben den Künstler und Industriedesigner Raffaello Galiotto zu seiner neuesten Arbeit befragt: es ist die Momentaufnahme einer Tischdecke auf einer Terrasse – ein Windstoß ist soeben unter den Stoff gefahren, hat ihn auf der einen Seite unter den Tisch gedrückt, um ihn auf der anderen Seite ein wenig flattern zu lassen.

Man kennt diese Situation aus dem Alltag, aber, zugegeben: in Stein gestaltet hat man sie noch nicht gesehen. Weil: man kann sie eigentlich nur mit einem Fotoapparat festhalten, denn schon im nächsten Moment ist der Windstoß vorbei und die Tischdecke hängt wieder einfach herunter.

Mehr noch, und dass es sich um ganz große Kunst handelt, erkennt man daran, das plötzlich viele neue Aspekte auftauchen, wenn man sich mit dem Werk des Industriedesigners und Vordenkers der Steingestalter befasst, denn: eigentlich ist gar kein Tisch da, aber dennoch sieht man einen, na klar.

Unsere Wahrnehmung ist schon eine faszinierende Sache, weil wir, bei allem was wir wahrnehmen, das Gesehene (oder Gehörte usw) interpretieren und es abgleichen mit ähnlichen Situation, die wir schon erlebt und in unserem Gedächtnis gespeichert haben.

Kollektion „Velata“ von Raffaello Galiotto für Margraf.

Dasselbe gilt auch für ein zweites Werk am Stand von Margraf nämlich jenes Tuch, das über einen Sessel geworfen ist.

Beide führen die alte Tradition der Skulpturen von verschleierten Gesichtern fort, die seit Jahrhunderten die Bildhauer zu Wegen entlang der Grenze des Darstellbaren und zum Experimentieren verlocken.

Kollektion „Velata“ von Raffaello Galiotto für Margraf.

Nun ist Galiotto Industriedesigner, hat also den Fokus seiner Arbeit auf Objekten, die man auch in Alltagssituationen benutzen kann, und so kann man sich diesen Tisch mit dem flatternden Tischtuch auch als Präsentationsfläche für ganz besondere Dinge in einem Showroom vorstellen. Der Transport des Stücks wurde dadurch erleichtert, dass der massive Block aus Carrara-Marmor mit einer wunderschönen bräunlichen Ader etwas ausgehöhlt ist.

Und die Standardstücke aus der Kollektion, jene wehenden Textilien aus verschiedenen Marmorsorten, können ihrerseits für jede Verwendung hin in der Größe und Form hin konzipiert werden.

Vorläufer kennen wir schon von der Fassade „Ripple“, die Galiotto im Jahr 2020 für Margraf konzipiert hatte.

Jene Konstruktion und genauso die neuesten Kreationen sehen so mühelos aus, dabei hat Galiotto für „Velata“ viele Stunden am Computer verbracht, um exakt den Faltenwurf bei einem Windstoß in ein Programm zu gießen, mit dem Die CNC-Maschine dann die Seiten des Rohblocks fräsen konnte. Und wie lange hat die Maschine daran gearbeitet: „Etwa eine Woche, rund um die Uhr“, sagt Galiotto, der, bescheiden wie er ist, den Aufwand herunterspielt.

Raffaello Galiotto.

Er sieht die eigene Arbeit, die der Maschinen und die Zusammenarbeit mit Margraf als erfüllendes Tätigsein auf höchstem Niveau, wie er sagt, und so erfahren wir zum Schluss unseres Gesprächs auf der weltweit wichtigsten Messe für Möbel und Einrichtungen auch noch einen Spaß, der leider nicht relalisiert werden konnte: eigentlich wollten die Kreativen die Wind-Stein-Objekte in einem schlauchförmigen Stand präsentieren, wo es am Zugang einen kräftigen Ventilator geben sollte. Das scheiterte jedoch daran, dass es für Messestände nur begrenzte Variationsmöglichkeiten gab.

Raffaello Galiotto Industrial Design

Margraf

Fotos: Margraf

Technische Angaben (Quelle: Margraf):

Velata Tisch – 275 x 137 x H 75 cm
Velata Stuhl – 105 x 67 x h 87 cm
Finish: fein geschliffen

Kollektion „Velata“ von Raffaello Galiotto für Margraf.

Velata Tücher
Finish: Fabric, Ipogeo® Collection
Die Forschung des Margraf Innovation Lab – des Kreativzentrums des Unternehmens, das den Marmor auf innovative Weise gestaltet – eröffnet der Kollektion Ipogeo® neue Perspektiven, durch eine Oberflächenbearbeitung der Tücher aus Marmor, die einem echten Gewebe gleicht. So entsteht Fabric aus der Ipogeo® Collection:
* Arabescato Corchia – 87 x 175 x dick 24 cm: Die Oberfläche Fabric wurde in diesem Fall auf einem zerbrochenen Marmor konzipiert, dessen Risse mit Blattgold (24 Karat Gold) ausgebessert wurden, wodurch das Material sublimiert und der Fehler hervorgehoben wird, im Sinne der Nachhaltigkeit und als Hommage an die Unvollkommenheit.
* Cremo Italia – 110 x 175 x dick14 cm: Es steht für die Verarbeitung von Leinen, wobei man sich anhand der zwei verschiedenen Oberflächenausführungen den Stoff vor und nach dem Weben vorstellen kann. Durch die zwei Farbtöne und das Muster ähnelt der Marmor einem Garn.
* Grigio Carnico – 102 x 175 x dick 20 cm: Die Oberflächenausführung ist samtähnlich. Die hypothetische Zweiteilung unterscheidet den ersten, bereits bearbeiten Teil, vom zweiten, der noch bearbeitet wird.
* Bohemien Breccia – 88 x 175 x dick 13 cm: Es greift die Färbetechniken der alten Phönizier auf. Durch natürliche Prozesse waren sie in der Lage, ihre Stoffe im berühmten Purpurrot zu färben, was ihnen eine faszinierende leuchtende Optik verlieh. Dieses Tuch ist in der Tat eine Metapher für den Stoff, der zum ersten Mal in die rote Farbe getaucht wird. Erst eine zweite Bearbeitung verleiht ihm die endgültige faszinierend rote Farbe.

See also:

(29.05.2023)