Es geht um Atemschutz und Nassbearbeitung und betrifft auch die Natursteinbranche
Kalifornien könnte der erste Bundesstaat der USA werden, der die aktuell geltenden Vorschriften zum Schutz vor Feinstaub bei der Arbeit mit Engineered Stones oder Quarzkomposit-Materialien verschärft. Das Thema kocht seit einiger Zeit immer wieder hoch, und ist auch in anderen Bundesstaaten auf der Tagesordnung. Nun aber kommt aus Kalifornien eine Untersuchung mit dramatischen Ergebnissen: bei Firmen, die diese Kunststeine herstellten, gab es unter den Mitarbeitern 52 Fälle mit Silikose (Staublunge) in unterschiedlichem Grad der Erkrankung. 10 von ihnen verstarben, andere sind schwer erkrankt.
Besonders prekär waren 2 Faktoren: das Alter der Betroffenen lag zwischen nur 40 und 49 Jahren, und 51 von ihnen waren aus Lateinamerika zugewandert. Die Study wurde in der renommierten Fachzeitschrift Journal of American Medicine (JAMA) veröffentlicht.
Die zuständige Gesundheitsbehörde des Bundestaates (Occupational Safety and Health Standards, CAL-OSHA) hat nun einen bestimmten Prozess in Gang gesetzt, an dessen Ende verschärfte Vorschriften rund um Produktion oder Verarbeitung der Engineered Stones: sie könnten trockenes Sägen oder Polieren und/oder sogar deren Verbot bringen.
Auch wurde schon ein pauschales Verbot der Kunststeine als solche gefordert.
Im Verlauf dieser Woche soll es Expertentreffen dazu geben. Eine Entscheidung könnte in 2 bis 4 Monaten fallen.
Das Natural Stone Institute (NSI), eigentlich Lobbyist für Naturstein in den USA, hat am vergangenen Freitag (28. Juli) eine Stellungnahme veröffentlicht und bezieht eine ausgewogene Position. „Die lange Liste vieler gängiger Produkte, die Silica (Siliziumdioxid) enthalten, darunter Beton, Ziegel, Gips, Glas und eine Vielzahl anderer Produkte, macht es unpraktisch, sich auf das Produkt zu konzentrieren.“ Gemeint ist mit „das Produkt“ Engineered Stone oder Quarzkomposit.
Will heißen: Ein Verbot der Kunststeine würde über das Ziel hinausschießen und könnte die gesamte Baubranche im Land in Bedrängnis bringen. Auch Naturstein setzt je nach Sorte beim Schneiden oder Polieren Feinstaub frei. Zahlreiche Steinmetze verarbeiten Engineered Stone oder Quarzkomposit.
Statt dessen geht das NSI an die eigentliche Ursache des Problems heran: es gibt hinreichend Mittel zum Schutz der Arbeiter, etwa Staubabsaugung oder Nassbearbeitung – sie müssen nur genutzt werden.
Wie es richtig geht, zeigen unsere Fotos von Bildhauersymposia – dort sind die Teilnehmer sehr bewusst, was ihre Arbeitssituation angeht.
Auch beim Blick in moderne Steinmetzwerkstätten sieht man, was schon üblich ist.
An manchen Arbeitsplätzen aber und gerade in der Baubranche werden die Schutzmaßnahmen vernachlässigt, weil sie für die Arbeiter unbequem sind, weil sie Kosten verursachen oder weil die Arbeiter nicht über die Bedrohung informiert werden.
In diesem Zusammenhang ist die aktuelle Untersuchung aus Kalifornien besonders dramatisch, weil fast alle der Betroffenen Zuwanderer aus Mexiko, El Salvador oder anderen Staaten in Lateinamerika waren. Vermutlich liegt die Dunkelziffer noch viel höher.
Bei Youtube gibt es ein Video, in dem einer der Betroffenen seine Situation schildert.
Bei Untersuchungen in den Jahren 2019 und 2020 bei Steinmetzbetrieben in Kalifornien hatte sich schon gezeigt, dass ungefähr 72% von 808 Werkstätten wahrscheinlich die bestehenden Vorschriften nicht einhielten, so die Fernsehstation WLIW.
Das Thema ist also drängend, und das weltweit:
* Auch in Australien soll im Lauf dieses über ein Verbot entschieden werden. Eine Task Force hatte zuvor nach 2 Jahren Arbeit ihre Empfehlungen verabschiedet;
* auch in Neuseeland wird dem Thema große Bedeutung beigemessen;
* das französische Natursteinmagazin Pierre Actual hatte in seiner Ausgabe Januar 2023 berichtet;
* in Spanien hält der Verband Fedesmar jährlich einen Tag gegen Silikose ab;
* auf EU-Ebene gibt es das Programm NEPSI, das Grenzwerte für Feinstaub am Arbeitsplatz festlegen soll. Unter der Hand ist von Beteiligten zu hören, dass man mancherorts nach dem Messen der Luftqualität gleich eine große Zahl der Steinmetzbetriebe zumachen müsste.
Wir haben unten zu den Materialien des NSI verlinkt. Dessen Empfehlung für das Expertentreffen diese Woche deckt sich mit der Empfehlung, die die National Dust Disease Taskforce aus Australien vorgegeben hatte: „Ausbildung, Kontrolle, und Stärkung der Betroffenen“.
Oder, etwas ausführlicher vom NSI formuliert: „Verbote von Produkten gehen am zentralen Problem vorbei. Wirkungsvoller wäre die Einhaltung von Schutzmaßnahmen bei der Arbeit, Kontrolle der Luftqualität am Arbeitsplatz und Mitarbeiterschulung.
Journal of American Medicine (JAMA)
Natural Stone Institute:
Silica
Safety
Safety Certificate
Pierre Actual (französisch)
Fedesmar (spanisch)
Breton aus Italien hat sein Material Bioquartz® auf den Markt gebracht, das nach Firmenangaben beim Bearbeiten keine gefährlichen Stäube freisetzt. Die Firma hatte die ersten Engineered Stones entwickelt, als man für die Restaurierung von Denkmalen nach Ersatz für Steine aus aufgelassenen Steinbrüchen suchte
(01.07.2023)