In Halle 1 wurden innovative Ideen, Technologien und Programmierungen gezeigt, in denen viele mögliche Produkte stecken
In den höchsten Tönen loben muss man die Präsentationen im „Italian Stone Theatre“ in Halle 1 auf der Marmomacc (30. September – 03. Oktober 2015). Gezeigt wurden experimentelle Arbeiten aus den Bereichen Design und Architektur. Kuratoren der Präsentationen waren Raffaello Galiotto und Vincenzo Pavan.
Nicht nur, dass manche dieser Arbeiten die Zukunft der modernen Marmorverwendung erkennen lassen. In ihnen stecken auch unendliche Möglichkeiten, um neue Produkte für die Familien von Marmor, Granit & Co zu entwickeln.
Nachdem der Vorhang des „Italian Stone Theatre“ gefallen ist, lautet die Herausforderung nun: aus und mit diesen Ideen, Techniken und Programmierungen marktfähige Produkte machen!
Denn, wir erinnern daran: Europa kam schon mit vielen Innovationen auf den Markt, aus denen woanders in großem Stil ein Geschäft gemacht wurde.
In diesem Sinne wurde bei einer Diskussion auf der Marmomacc darüber geklagt, dass an Italiens Schulen und Universitäten die jungen Leute zu wenig an aktuelle Techniken herangeführt würden.
Werfen wir zunächst den Blick nur auf die mit „Digital Lithic Design“ (Digitales Steindesign) betitelten Präsentationen in Halle 1. In den kommenden Ausgaben wollen wir dann auch „Lithic Vertigo“ (Steinerner Schwindel) und „Carpets of Stone“ (Teppiche aus Stein) vorstellen.
Der Industriedesigner Raffaello Galiotto war der Ideengeber für „Digital Lithic Design“. Die Realisation der Objekte erfolgte in enger Kooperation mit italienischen Firmen.
Galiottos Arbeitsweise bei diesem Projekt kann man mit einem Schlagwort umreißen: bis zum Horizont, dort anschlagen, und wieder zurück.
Seine Ideen orientiert er nämlich nicht daran, was machbar ist. Vielmehr, sofern sich etwas nicht realisieren lässt, entwickelt er selber die notwendigen Werkzeuge und Programmierungen beziehungsweise wirkt daran mit. Hierzu muss man wissen, dass Galiotto von Haus aus auch studierter Naturwissenschaftler und zudem profunder Kenner der Steinbearbeitung ist.
So war eine seiner selbstgestellten Herausforderungen bei „Digital Lithic Design“, ob und wie man eigentlich das Innere eines Steinblocks gestalten könne. Bisher waren Design oder Kunst bei Naturstein an der Oberfläche verblieben.
Was herauskam ist eine Wunderwelt für den Naturstein mit Höhlungen, Kanälen, Durchsichten und noch vielem mehr.
Unverkennbar in vielen Formen oder Oberflächen sind natürliche Vorbilder, etwa das Stachelkleid des Igels, die Maserung von Blättern oder die Wuchsform des Kaktus.
Es war nämlich ein Studium der Chemie, das Galiotto vor seinem Besuch der Accademia di Belle Arte in Venedig abschloss, und zumindest in der Organischen Chemie geht es um die Natur und wie sie funktioniert.
Insofern gibt es für ihn keinen Konflikt zwischen Natur und Technik und genauso wenig zwischen Kunst und Maschine. Im Gegenteil: die meisten der Objekte in „Digital Lithic Design“ zeigen die Spuren der Maschine und sollen dies ausdrücklich auch tun.
Zum Schluss: Galiotto ist ein vehementer Vertreter der These, dass Naturstein ein besonderes Material ist, unter anderem weil es Millionen von Jahre in sich trägt. Also plädiert er für eine respektvolle Verwendung und möglichst wenig Abfall.
Das ist bei „Lithocorno“, einem 3 m hohen steinernen Horn, spielerisch in die Tat umgesetzt: das ganze Objekt besteht eigentlich nur aus einem Steinblock von 30 cm Höhe. Der wird in Scheiben geschnitten, und aus dem Inneren jeder Scheibe wird ein kleineres Element für weiter oben im Horn herausgesägt.
Wir verraten es: das Horn ist innen hohl. Die Außenhaut besteht aus 100 übereinander gestapelten steinernen Ringen.
Raffaello Galiotto Industrial Design
Fotos: Raffaello Galiotto
(14.10.2015)