Der deutsche Künstler Tobel machte auf der geologisch unruhigen Insel spezielle Erfahrungen mit den Naturgewalten
Naturstein spielt in Taiwan eine bedeutsame Rolle: es gibt reiche Vorkommen an Marmor und anderen Sorten auf der Insel, sie hat eine starke Branche für die Verarbeitung von Stein und die heimischen Sorten sind vielfach im Alltag präsent.
Das alles hängt mit dem speziellen Untergrund zusammen: genau unter der Insel treffen die eurasische und die philippinische Kontinentalplatte aufeinander, dies mit einer Geschwindigkeit von etwa 80 mm pro Jahr. Die Bruchzone liegt unter dem Huatong Valley, das sich längs über die Insel zieht und auf jeder Seite ein steiles Gebirge hat.
„Taiwan ist geologisch jung und verändert sich noch sehr stark“, sagen die Geologen dazu.
Der deutsche Bildhauer Tobel war von Oktober 2017 bis Anfang Februar 2018 dort, um 5 Projekte fertigzustellen. Dabei machte er seine eigene Erfahrung mit der Naturgewalt, die hinter all den Steinen steckt.
Tobels umtriebige Agentin Chang Yufen hatte Privatpersonen, Firmen und Konzerne aufgetan, die Skulpturen des Künstlers kaufen wollten. Es handelte sich um unterschiedlich große Arbeiten mit Ausmaßen von 50 kg bis zu 18 t. Sie sollten aus heimischem Stein sein und vor Ort gefertigt werden.
Tobel reiste also an, suchte die Materialien aus und mietete sich mit seinem Sohn als Helfer sowie zuletzt 4 Assistenten in den Werkstätten befreundeter Künstler ein. Kurz umreißt er in einer Mail den Verlauf der Arbeiten: „Nach 3 Monaten Arbeit waren diverse Bohrkronen abgebrochen, 5 große und 4 kleine Flexen durchgebrannt, 22 große und 38 kleine Diamantscheiben runterradiert, 1 Drucklufthammer sowie 4 Eisen ruiniert. Natürlich gab es auch Muskelkater, Prellungen, Schürfwunden, Hexenschuss und Steinchen im Auge.“
Schließlich wurden die Werke aufgestellt. Sie stehen nun in einer Galerie, in einem privaten Park und vor einem Hotel. Der größte Brocken war für den Vorplatz eines neuen Bahnhofs bestimmt.
Dazu muss man wissen, dass in Taiwan für die Aufstellung von Skulpturen besondere Vorschriften gelten: denn Taifune schütten gelegentlich Massen von Wasser vom Himmel und die Erde bebt mehrmals pro Woche, mal schwächer und in großer Tiefe, mal nahe der Oberfläche und stärker.
Am 6. Februar gab es ein Beben mit der Stärke 6,4 mit einem Zentrum am nördlichen Ende des Huatong Valleys in etwa 17 km Tiefe. Ein aktueller Bericht der New York Times berichtet von 4 Toten und 145 Vermissten, später stiegen die Zahlen noch. Das Bild eines Wohnhochhauses ging um die Welt, das schief stand, als würde es jeden Moment umkippen.
Just aus einem dieser Apartments hatte Tobel wenige Stunden vorher ausgecheckt.
Im Taroko-Nationalpark erforschen Wissenschaftler des GeoForschungsZentrums (GFZ) Potsdam, wie im Zusammenspiel von Geologie, Wetter und Pflanzenbewuchs Landschaften geformt werden. Dabei ist die Insel ein Musterbeispiel für solche Prozesse: zum einen gibt es steile Hänge, wo die Abtragung sehr stark ist, zum anderen gibt es Extremregen wie den Taifun Morakot 2009, der innerhalb weniger Tage fast 3000 Liter Wasser pro Quadratmeter Boden ausgoss. Außerdem werden schon seit Jahrzehnten auf der Insel Daten dazu erhoben.
Latest news: dieser Tage gewann Tobel den Großen Preis bei der Biennale del Chaco in Resistencia, Argentinien. Bereits 2010 war er mit diesem Preis ausgezeichnet worden.
Autor: Alexandra Becker
(04.08.2018)