Statt die Kundschaft der Mittelschicht anzusprechen, betreiben viele Natursteinverbände abgehobene Kunst
Wie kommt es, dass die neuen Konkurrenten des Natursteins, Engineered Stone und Quarzkompositmaterialien, in wenigen Jahren große Teile des Marktes erobert haben? Was machen die Firmen mit Marmor, Granit & Co falsch?
Die Antwort findet man beim Blick auf die Marmomac und deren Halle 1: Italien stellt sich dort als das führende Land der Steinbranche dar und inszeniert seine Steine nach dem Konzept des Made in Italy. Das besagt, vereinfacht ausgedrückt: Kunst und Kultur sind Bestandteil des Alltags, also werden auch die Steine in Halle 1 in künstlerischen Inszenierungen dargestellt.
Das machen nun die meisten anderen Länder nach, und genau das ist das Problem.
Wohlgemerkt: Wir wollen hier die Marmomac und Italiens Steinbranche nicht kritisieren. Denn deren Inszenierung ist erfolgreich, wie man an den Umsatzzahlen sehen kann. Und das ist das einzige was hier zählt.
Was wir kritisieren, ist, dass die meisten anderen Verbände wie blind dem Made in Italy hinterherlaufen.
Fatal am Made in Italy ist nämlich, dass es vor allem auf die reiche Klientel als Zielgruppe ausgerichtet ist.
Zwei große Länder hingegen zeigen, dass Marketing für Naturstein auch anders geht: die USA und China.
Der amerikanische Verband Natural Stone Institute (NSI) hat – wie schon seine Vorläufer Marble Institute und Building Stone Institute – nie künstlerische Aktionen zu Zwecken des Marketing unternommen.
Dennoch – oder deshalb? – sind die USA der wichtigste Markt weltweit für anspuchsvolle Natursteinprodukte.
Chinas Natursteinbranche sucht im Moment noch den Weg, den sie mit ihrem Marketing gehen will. Immerhin ist die Xiamen Stone Fair schon vorgeprescht und hat einen Vorschlag gemacht: in ihrer Schau „Stone Infinite“ zum Steindesign werden bodenständige und verkäufliche Objekte in den Mittelpunkt gestellt. Die letzte Ausgabe zur Messe im März 2019 war ein großer Erfolg.
Wichtiger noch aber als der Stil des Marketing ist, dass ein Verband die richtige Zielgruppe in den Blick nimmt.
Hier sind die USA wieder ein gutes Beispiel dafür, wo die Wachstumsmärkte liegen – nämlich in der Mittelschicht, nicht bei den Reichen. Der Boom des Natursteins in den USA begann in den 1990ern, als die Branche dem Durchschnittskunden Küchenarbeitsplatten aus Granit verkaufte.
Das brachte nicht nur Umsatz, sondern machte auch das Material sichtbar und populär. Quasi nebenbei öffneten sich dadurch Verwendungen auch in Badezimmern, an Fassaden und auf Terrassen usw. Naturstein steht in den USA für Eleganz, Natürlichkeit, Lebensstil, wird auch als Investition in den Wert einer Immobilie verstanden.
Mit Kunst hat das überhaupt nichts zu tun, schon gar nicht mit abgehobenen Inszenierungen.
Besonders fatal an der falschen Orientierung (fast) der ganzen Natursteinbranche ist, dass die Konkurrenz es besser macht: das Marketing der Hersteller von Engineered Stone und von Quarzkompositen ist nämlich bodenständig und passgenau auf die Bedürfnisse der Mittelschicht ausgerichtet.
Die Botschaften sind einfach: einfache Pflege, Material fürs Wohlbefinden, geeignet für schöne Wohnungen.
Zur Erinnerung: die Konkurrenten erreichen ihre Marktanteile keinesfalls mit niedrigen Preisen.
Italian Stone Theatre, „Brand & Stone” (1, 2)
(15.11.2019)