Neubau des Albulatunnels in den Schweizer Alpen: bei 1192 m Vortrieb ist das Gestein auf 21 m wie eine „Paste und schwimmend“

Blick in den neuen Albulatunnel auf einer Teilstrecke mit festem Fels.

Auch 110 Jahre nach der 1. Röhre durch den Berg sind die Herausforderungen für die Ingenieure immer noch groß

Diesmal waren die Ingenieure gewarnt, dass sie es ab 1127,5 m Vortrieb mit einem schwierigen Gestein zu tun bekommen würden: die Rede ist vom Neubau des Albulatunnels in den Schweizer Alpen, wo es beim 1. Tunnelbau vor 110 Jahren just bei 1192 m extreme Probleme gegeben hatte, dass die Arbeiten 9 Monate komplett ruhten und man am Ende nur mit beispiellosen Bemühungen die Bahnlinie durch den Berg fertigbrachte.

Diesmal wurde die Problemzone mit 21 m Länge komplett vereist. Das ist die aktuelle Technik, wenn in solchem Gestein gearbeitet werden muss.

Wir lernen: ein Gebirge ist keineswegs eine Masse aus hartem Material, sondern kann zum Beispiel auch eine Art von „Paste“ sein, wie es auf der Website zum Projekt heißt: bei 1192 m (nach Tunneleingang Preda) hat man es mit einem Gerippe von Gestein mit Schlammfüllungen zu tun, und obendrein gibt es in dieser Zone haufenweise Klüfte, aus denen mit einem Druck von 6 Atmosphären eiskaltes Wasser schießt. Als „schwimmend“ wird auf der Webpage das Innenleben des Berges an dieser Stelle bezeichnet.

Bei Preda fängt hingegen alles beinahe gemütlich an. Allgäuschiefer ist zunächst das Material, das leicht abbaubar und standfest ist.

Aber es tauchen immer mehr wasserführende Klüfte auf, bis die Problemzone mit Raibler-Rauwacke folgt. Beim 1. Tunnel schaffte man es in diesem Bereich zunächst nicht einmal, die Wände zu stabilisieren – in 2,5 Monaten kam man nur 6,3 m vorwärts. Erst mit „schwersten Stützmaßnahmen“ gelang es, wieder in festes Material vorzukommen.

Dann folgt eine weitgehend problemlose Strecke von 55 m mit Mylonit, die sich später noch einmal mit 66 m Länge wiederholt.

Von dort bis zum Ende in Spinas hat man es mit Albulagranit zu tun. Unter diesem Namen werden verschiedene Gesteine wie Granite, Granidiorite und Gabbros zusammengefasst. Auch wenn es kleinere Störungszonen gibt, ist der Berg hier für die Mineure unproblematisch – so sehr, dass man beim 1. Tunnel sogar streckenweise auf eine Verkleidung der Wände verzichtete.

Der Tunnelabschnitt durch die Störzone ist herausgebrochen und gesichert. Die Rohre für die Vereisung sind noch zu sehen.

Im Jahr 2006 war bei Untersuchungen durch die Rhätische Bahn festgestellt worden, dass „mehr als die Hälfte der 5864 m langen Tunnelröhre sich in schlechtem Zustand befindet und erneuert werden muss“. Die Fachleute spielten die Optionen Sanierung oder Neubau in allen Details durch und kamen zu der Entscheidung für eine neue Röhre, die 30 m neben der alten verläuft und ungefähr alle 450 m mit ihr verbunden ist.

Dadurch wurde während der Bauzeit der Betrieb auf der vielbefahrenen Strecke nicht beeinträchtigt. Zudem wird der alte Tunnel künftig als Sicherheitsanlage dienen, wenn wie geplant Ende 2021 der Neubau fertiggestellt ist.

Im Vorfeld der Bauarbeiten, die 2014 begannen, gab es unter anderem Färbeversuche an zahlreichen Gewässern am Berg. Ziel war, die Wasserführung zu erkennen.

Insgesamt werden rund 250.000 m³ Gestein wurden aus dem Albulamassiv geholt. Der größte Teil davon geht an Ort und Stelle zum Beispiel in die neue Tunnelverkleidung. Unbrauchbares Material wird in auf eine Deponie unweit von Preda transportiert und dort wieder in die Landschaft eingebracht.

Der Vortrieb erfolgt übrigens gleichzeitig von beiden Enden. Durchstoß war am 02. Oktober 2018. Das Projekt hat ein Gesamtbudget von 345 Millionen Schweizer Franken.

Wie bei solchen Großprojekten üblich, betreibt die Rhätische Bahn eine aufwändige Öffentlichkeitsarbeit. Dazu gehört, dass die Medien zu besonderen Ereignissen eingeladen werden, etwa als der Bahnhof von Preda um 112 cm verschoben wurde. Genauso gibt es eine „Infoarena Tunnelbau“: das ist eine auffällig rote Baustellenwand entlang eines Zuges, in dem man auf Deutsch und Englisch Wissenswertes zur Geologie, Tunneltechnik oder Baulogistik erfahren kann.

Für die Kinder ist der Maulwurf Kobali dabei, und regelmäßig gibt es Führungen oder werden Sprengungen inszeniert.

Der Landwasserviadukt.

Übrigens, wir dürfen es unseren Lesern nicht vorenthalten: auf der Teilen der Bahnlinie von Chur bis Tirano mit den berühmten Viadukten und Tunnelschleifen fahren nicht nur der Glacier- und der Bernina-Express, sondern im Winter auch die sogenannten Schlittelzüge. Das sind die Pendlerbahnen zwischen Bergün (1367 m ü. M. und Preda (1789 m): die Autostrecke ist im Winter für Schlitten hergerichtet, so dass man eine phantastische Abfahrt nach Bergün hat und von dort gleich wieder mit dem Zug zum Start der Piste in Preda zurückfahren kann.

Neubau Albulatunnel (1, 2)

Schlittelzüge (deutsch)

See also:

(05.08.2020)