Endlich eine materialgerechte Gestaltung: das Gewicht des Steins garantiert die gewünschte Funktion, das Aussehen unterstreicht das hohe Alter und die Natürlichkeit des Natursteins
Am Produktdesign mit Naturstein versuchen sich inzwischen viele Firmen weltweit, und viele Verbände machen dazu Wettbewerbe. Leider taugen die meisten Ergebnisse nichts – die Objekte erfüllen nicht die Funktion, die sie als Gegenstände für den Alltagsgebrauch eigentlich haben müssten, auch wenn sie manchmal schön anzuschauen sind. Theoretisch formuliert: die Designer erfüllen nicht den Grundsatz des Produktdesign, dass nämlich die Funktion an erster Stelle steht und das Aussehen des Objekts zweitrangig ist.
Das bringt der Satz „Form Follows Function“ auf den Punkt.
Ein Beispiel, wie man alles richtig machen kann, kommt von der norwegischen Firma Lundhs. Eigentlich gewinnt sie nur Rohblöcke aus den heimischen Steinsorten; vor einer Weile wendete sie sich auch dem Produktdesign zu. Zunächst wollte sie damit Objekte gewinnen, mit denen sie auf Messen für Architektur und Design Aufmerksamkeit auf ihre Küchenarbeitsplatten lenken konnte, inzwischen ist daraus die Marke „Lundhs Real Stone“ geworden.
Das jüngste Objekt sind Buchstützten. Sie sind so alltäglich, dass sie ohne eigenen Namen auskommen.
Ihr Design aber ist bemerkenswert – es ist minimalistisch bis zum Äußersten: 5 Schnitte werden mit der Säge durch den Ausgangsbrocken geführt. „Ferdig“ (Fertig)!
Es wird noch nicht mal Wert auf Exaktheit der Maße gelegt, und so gibt es in der Produktbeschreibung auf der Webpage den Hinweis, dass die Maße um die Mittelwerte von 8,2 x 7,4 x 7 cm schwanken. Das liegt daran, dass es sich um Abfallstücke aus der Produktion handelt, und dass bei dem Objekt eher das Verhältnis von Höhe zu Breite als eine exakte Größe wichtig ist.
Allerdings, mag der aufmerksame Leser sich fragen: mit 5 Schnitten kann man keinen Quader zurechtschneiden – 6mal muss die Säge ihre Arbeit tun…
Das genau ist die großartige Idee bei den Buchstützen von Lundhs: die Oberseite ist roh belassen – man kann sie mit der Borke am Holz vergleichen. Sie teilt dem Benutzer immer wieder mit, dass der Stein aus der Natur stammt, dass er uralt ist und deshalb der Literatur auf dem Bücherbrett sicher einen verlässlichen Halt geben kann. Auch die Seiten sind nicht poliert.
Die Steinsorte ist der norwegische Lavikit aus den Brüchen von Lundhs.
Wieder Theorie: materialgerechtes Design wird hier folgendermaßen verwirklicht: Erstens vermitteln die Buchstützen, was das Material auszeichnet (hohes Alter, aus der Natur stammend), zweitens bedienen sie sich für die Funktion des hohen Gewichts, das typisch ist für Stein. Jede Stütze wiegt 2 kg.
Ganz nüchtern gibt die Produktbeschreibung dies wieder: „Die Steine wurden in Norwegen geerntet und vor Millionen Jahren von der Natur geschaffen.“
Schön, die Arbeit im Steinbruch als Ernte zu bezeichnen.
Und mehr: „Jedes Exemplar ist einmalig, Variationen in Farbe und Größe sind möglich.“
Line Møller Mærsk hat die Buchstützen entwickelt. Sie leitet den Real Stone-Shop.
Fotos: Lundhs
(21.08.2020)