Eine Studie hat nachgewiesen, dass sich Klimaveränderungen auch in religiösen Schriften wiederspiegeln
Dass die Klimaereignisse vergangener Zeiten sich in den Künsten niedergeschlagen haben, ist bekannt: während der Kleinen Eiszeit in Mitteleuropa (ca 15.-19. Jahrhundert) zeigen holländische Landschaftsmalereien verstärkt Menschen beim Eislaufen auf gefrorenen Gewässern. Genauso wird der Runenstein von Rök aus der Zeit der Wikinger (ca 790–1070 n. Chr) in Zusammenhang mit ungewöhnlichen Wetterereignissen vielleicht als Folge eines Vulkanausbruchs in Mittelamerika gesehen (siehe Link unten). Nun hat ein Forscherteam einen Zusammenhang zwischen den Geschichten von Wasserwundern aus Norditalien im 6. Jahrhundert und extemen Regenfällen in jener Epoche nachgewiesen.
Insbesondere die Dialogi de vita et miraculis patrum Italicorum (Gespräche über das Leben und die Wunder der italienischen Kirchenväter) aus jener Zeit enthalten viele Beschreibungen sogenannter Wasserwunder, bei denen Heilige starke Regenfälle, Stürme und Fluten hervorrufen oder beenden konnten.
Solche Berichte machen bis zu 20% aller beschriebenen Wunder aus der damaligen Zeit aus – eine ungewöhnliche Anhäufung.
In Texten aus früheren und späteren Perioden, und genauso in Schriften von Gregor von Tours, hingegen kommen Wasserwunder kaum vor.
Die Wissenschaftler, von deutscher Seite vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena, interpretieren das plötzliche Auftreten dieser Berichte als Indiz für eine besondere Wahrnehmung der Bevölkerung für hydroklimatische Ereignisse.
Den Grund dafür sehen sie im Klimawandel der damaligen Zeit, welcher sich insbesondere durch verstärkten Regenfall und Überschwemmungen manifestierte.
Um diese kulturellen Indizien auch mit Hard Facts zu ergänzen, nahm das Team einen Stalagmiten aus der Renella-Höhle in der nördlichen Toskana unter die Lupe. Ähnlich wie Baumringe geben die Mineralschichten von Stalagmiten, die sich über die Jahrhunderte ablagern, Aufschluss über die jeweiligen klimatischen Verhältnisse.
Um Feucht- und Trockenperioden zu unterscheiden, ermittelten die Forscher das Verhältnis der Sauerstoffisotope mit Hilfe der Uran-Thorium-Datierung.
Dabei zeigte sich, dass sich das 6. Jahrhundert n.Chr. in Nord- und Zentralitalien von anderen Zeiten durch ein deutlich höheres Level an Feuchtigkeit unterschied.
Eine wahrscheinliche Ursache dafür war eine langanhaltende, negative Phase der nordatlantischen Oszillation, welche aufgrund eines niedrigeren Atmosphärendrucks vermehrt feuchte Luft nach Nord- und Mittelitalien brachte. Da das Wasser des Nordatlantiks eine höhere Konzentration an leichteren Sauerstoffisotopen aufweist als der durchschnittliche Niederschlag in Norditalien, haben die negativen nordatlantischen Oszillationen des 6. Jahrhunderts. und die damit verbundenen Niederschläge in Italien eine „verräterische“ isotopische Spur in den Schichten des untersuchten Stalagmiten hinterlassen.
Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte
(02.04.2021)