Peter’s Corner zur Marmomac 2021: die Messe zeigte wegweisende Ideen für die Selbstdarstellung der Steinbranche, aber auch Unentschlossenheit bei der Nachhaltigkeit

Plakatkampagne Marmomac 2021.

Das war die beste Marmomac, die wir je erlebt haben. Der Grund für unsere Begeisterung ist aber nicht der Neustart der Branche mit einem Live-Event – das hatten bereits die Marble Izmir im August, die Coverings im Juli und die Xiamen Stone Fair im Mai vorgemacht.

Der Grund waren 2 Neuerungen, die diese 55. Marmomac (29. September bis 02. Oktober 2021) für die Branche brachte:
* nach der offiziellen Eröffnung mit den üblichen Reden und Begrüßungen liefen nicht alle auseinder, sondern es kam eine Sopranistin aufs Podium und sang Opernarien – sie holte große Emotionen und großes Drama auf das Branchentreffen, bei dem es doch eigentlich nur ums Geschäft gehen soll und muss. Solche Vorführungen setzten sich fort während der ganzen Messetage und knüpften an an die Flashmob in den Messehallen im Jahr 2019. Wir geben zu: wir waren überrascht und ergriffen. Schließlich hatten wir schon vor einigen Jahren die Idee aufgeworfen, dass sich Naturstein sich am besten mit Emotionen verkaufen lässt;
* damit in Zusammenhang ist die aktuelle Plakatkampagne der Messe zu sehen: überall auf dem Messegelände und in der Stadt waren die Gesichter von 4 jungen Leuten mit klassischen Marmorbüsten dahinter aufgehängt.

Beides ist zukunftsweisend für die Branche, zukunftsweisend insofern, als die Steinbranche sich bisher sich am liebsten mit Fotos ihrer großen Brüche präsentiert hat. Das mögen in der Vergangenheit tatsächlich gute Bilder für die Kommunikation gewesen sein – ob sie aber in Zeiten von Nachhaltigkeit und Klimawandel noch ihren Zweck erfüllen, muss man bezweifeln.

Wohlgemerkt: wir reden hier von den Bildern, wie sie zum Beispiel auf den Internetseiten der Firmen oder Verbände gezeigt werden. Die Rede ist nicht davon, dass ein Besuch im Steinbruch die Gäste zutiefst fasziniert.

Dass die Marmomac sich diesmal sowohl an Emotionen als auch an einer innovativen Selbstdarstellung der Branche versucht hat, und dies mit Erfolg, rechtfertigt ihren Ruf als Leitmesse der Branche.

Jedoch: was das Thema Nachhaltigkeit angeht, versagte sie fast komplett. Das war schon 2019 so gewesen und war auch bei den Online-Vorträgen im Mai 2021 so: anstatt das Thema in allen seinen Aspekten groß zu spielen, kam es im Programm nur am Rande vor.

Diesmal gab es immerhin einen Vortrag über Ökobilanzen – ansonsten war basta in Sachen Umwelt und Klima.

Ein Thema wäre zum Beispiel die Frage nach Luxus mit Stein gewesen, dies weil Marmor und alle anderen Sorten für Luxus stehen:
* Woran erkennt man Luxus – ist Luxus, wenn das Material verschwendet wird?
* Oder kann weniger sogar mehr sein? Aber wenn ja: wie?
* Kann an die Stelle von Überfluss vielleicht Eleganz treten?
* Schließlich: Wie lassen sich reduzierte Mengen durch den Preis kompensieren?

Festzuhalten ist: Seit Jahren schon beschäftigen sich italienische Firmen intensiv mit diesen Fragen.

Und ausgerechnet auf der Marmomac wurden in der Vergangenheit vielfach entsprechende Arbeiten gezeigt. Wir sind in unser Archiv gestiegen und haben ein paar Beispiele herausgeholt:

„Marmomacc Meets Design“ 2011, Designerin Patricia Urquiola für die Firma Budri.* im Rahmen von „Marmomacc Meets Design“ im Jahr 2011 (noch in der alten Schreibweise der Messe), also vor 10 Jahren, spielte die spanisch-italienische Designerin Patricia Urquiola für die Firma Budri durch, was man mit den kleinsten Reststücken aus der Marmorverarbeitung machen kann. Dazu muss man wissen, dass Budri eine der großen italienischen Marken für Luxus mit Stein ist, allerdings Luxus nicht im Sinn von Verschwendung, sondern von Stil;

„Marmomacc Meets Design“ 2012, Designer Tobia Scarpa für die Firma Testi Group.* im Jahr darauf kam, ebenfalls im Rahmen von „Marmomacc Meets Design“, der Designer Tobia Scarpa mit seiner Kollektion „Animarmi“ von putzigen Tierchen aus Stein-Abfall heraus. Auftraggeber war die Firma Testi Group;

„Italian Stone Theatre“ 2018, Raffaello Galiotto: „Tasca“.* in den Jahren danach hatte im Rahmen des „Italian Stone Theatre“ der Industriedesigner und Vordenker Raffaello Galiotto mehrmals durchgespielt, wie man mit möglichst wenig Stein möglichst komplette Formen erstellen kann. 2018 zeigte er „Tasca“, ein Waschbecken mit Unterbau, bei dem jede Ebene aus der vorherigen hervorgeht…

„Italian Stone Theatre“ 2016, Raffaello Galiotto: „Zenit“.* … schon 2016 hatte er „Zenit“ vorgeführt: es ist eine Hohlform mit 3,60 m Höhe, die mit Wasserstrahl aus einem Marmorwürfel mit 60 cm Seitenlänge herausgeschnitten wurde. Näheres in Galiottos Buch „Marmo 4.0“ in italienisch und englisch.
 

Musik auf der Marmomac 2021, Stichwort: „Musical Interlude“ (die Aufführung folgt nach einem Werbevorspann ab ca 9:30)

(15.10.2021)