Die britische Steinmetzin und Künstlerin Beatrice Searle hat mit einem „Steinboot“ als Handgepäck den Gudbrandsdalen Pilgerweg in Norwegen abgelaufen und darüber ein Buch geschrieben

Beatrice Searle mit ihrem „Steinboot“. Quelle: Verlag

Beatrice Searle ist eine Steinmetzin aus England und hat im Jahr 2017 im Alter von 26 Jahren eine ganz ungewöhnliche Reise gemacht: mit einer Steinplatte auf einer umgebauten Schubkarre im Schlepptau hat sie den Gudbrandsdalen Pilgerweg in Norwegen abgelaufen, eine Strecke von gut 450 km buchstäblich über Berg und Tal durch Norwegen. In ihrem Buch „Stone Will Answer“ (Stein gibt die Antwort) erzählt sie die Geschichte.

In erster Hinsicht ging es ihr darum, dem Material näherzukommen, mit dem sie es zu tun hat. Neben der eigenen Standortbestimmung dreht sich das Buch auch um vielfältige Aspekte aus der Kulturgeschichte, den Mythen des Nordens, der Bauwelt und der Geologe.

Erzählen wir die Dinge chronologisch, dann sind die vielen sonderbaren Aspekte dieser Wanderung leichter zu verstehen.

Beatrice Searle stammt aus Cardiff am Ärmelkanal im Süden Englands. Im nahegelegenen Newcastle absolvierte sie ein Kunststudium und arbeitete dann eine Weile in einem Steinmetzbetrieb. Dort kam sie mit der langen Geschichte dieses Handwerks in Kontakt. Die Kollegen gingen wohl auch ruppig mit ihr als Künstlerin um, so heißt es jedenfalls in einer Besprechung des Buchs im britischen Magazin Stone Specialist.

Sie entdeckte bei den Handwerkern aber auch die Faszination am Naturstein und an seiner Bearbeitung.

Damit begann sozusagen ihr Weg nordwärts.

Zwecks vertiefter Ausbildung als Steinmetzin bewarb sie sich an der Lincoln Cathedral in der Ortschaft gleichen namens, gelegen wieder an der Küste, diesmal aber auf der Höhe von Sheffield.

Dort pflegt man eine Partnerschaft und einen Austausch mit der Nidaros Cathedral in Trondheim. Nidaros ist übrigens der alte Name für diese Großstadt an Norwegens Küste.

Vorher oder nachher hatte ein Mentor ihr die Anregung gegeben, sich doch mal die zu Schottland gehörenden Orkney-Inseln anzuschauen, am nördlichsten Rand des Vereinigten Königreichs gelegen.

„Orkney ist Stein von Kopf bis Fuß“, resümiert sie in ihrem Buch.

Orkney ist aber nicht nur Stein, sondern ist auch die Heimat vieler Legenden, etwa derjenigen von Magnús Erlendsson. Er gilt als Heiliger, und es gibt die Geschichte, dass er auf einem Steinboot die Meerenge zwischen den Orkney-Inseln und Schottland überquerte.

Für die Touristen gibt es heutzutage im schottischen Küstenort Caithness eine Nachbildung dieses ominösen Wasserfahrzeugs in Form einer Steinplatte. Sie trägt 2 Fußabdrücke, angeblich fand Magnús bei der Überfahrt in ihnen guten Halt, und wir werden ihnen noch begegnen.

Nachdem Beatrice Searle nun noch in einem separaten Abenteuer auf den Orkneys den richtigen Stein für ihr Abenteuer gefunden hatte – eine Platte aus Schluffstein in einer besonders harten Variante – konnte die Reise beginnen, zunächst per Schiff nach Norwegen, dann weiter zu Land auf dem Pilgerweg mit der Schubkarre quasi als Beiboot.

Zuvor noch hatte sie Sponsoren gefunden, indem sie im Jubiläumsjahr des Heiligen Magnús ein paar Meilen in Schottland mit ihrem Boot probegelaufen war und die BBC darüber berichten ließ.

Deckblatt des Buches.

Im Buch mit 352 Seiten erzählt sie, wie sich die eigene Welt ändert, wenn man mit solchem Handgepäck unterwegs ist, wenn man auf einmal unbegrenzt Zeit zum Nachdenken hat und wohin das Zwiegespräch mit einem Stein führen kann.

Ihr Freund, der unauffällig dabei war und nur als „T“ Erwähnung findet, muss wohl häufiger Unterstützung geleistet haben, zum Beispiel als die Schubkarre unter der Dauerlast von fast einem Zentner in die Knie ging und Reparaturen nötig wurden.

Dabei war ihr Abenteuer keineswegs als Selbsterfahrung im Alleinsein angelegt. Wenn sie unterwegs Leute traf, lud sie diese ein, in die Fußabdrücke in ihrem Steinboot zu treten und zu berichten, was ihnen in den Sinn kam. Einige lustige Episoden finden sich im Buch, bis sie schließlich körperlich zerschlagen, aber innerlich bereichert an der Kathedrale in Trondheim ankommt.

Auf der Webpage Granta erwähnt sie in ihrer poetischen Ausdrucksweise, dass sie sich immer und überall Notizen macht, manchmal auf einem Steinblock selbst, manchmal am Rand von technischen Zeichnungen.

An einer Stelle dieser Selbstbetrachtung heißt es: „Während meine Hände bei der Arbeit sind, mein Gehirn schnell arbeitet und meine Augen weit offen sind, habe ich eine besondere Vorliebe für Schwebfliegen, und wie sie alles zu überprüfen scheinen, auf das sie treffen“. Diese unscheinbaren Insekten, manche mit dem gelb-schwarzen Muster der Wespen, schwirren gerne an einem Punkt in der Luft, um dann blitzschnell nach oben, unten oder zur Seite an einen anderen Standpunkt zu wechseln und dann dort in der Luft zu stehen.

Beatrice Searle, „Stone Will Answer“, ISBN: 978-1-787-30255-6

Der Verlag verweist auf 2 weitere Bücher mit ähnlichem Thema: Alex Woodcock „King of Dust“ (2019) und Andrew Ziminski „The Stonemason“ (2020).

Stone Specialist

Granta

See also:

(21.04.2023)