Zeremonie mit Steinmetzfahne, Lade, Schlag mit dem Richtschwert und gemeinsamem Singen / Übergabe der Zeugnisse schon am Tag der Prüfung
Am 27. Juli 2018 gab es für 27 Steinmetz-Lehrlinge die Freisprechung zum Gesellen an der Fachschule in Wunsiedel. Die Zeremonie lief nach dem alten Ritus ab, wie ihn Erwin Hornauer, Leiter des Europäischen Fortbildungszentrum für das Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerk (EFBZ), aus Überlieferungen von mittelalterlichen Bauhütten recherchiert hat. Es gebe neben diesem Ritual noch ein weiteres „Alleinstellungsmerkmal“ des Steinzentrums in Wunsiedel, dass nämlich die jungen Leute schon am Nachmittag der Prüfung sowohl das Gesellenprüfungszeugnis als auch das Berufsschulzeugnis ausgehändigt bekamen. „So etwas ist nicht selbstverständlich und nur in Gemeinschaftsarbeit möglich“, bedankte sich Hornauer bei den Beteiligten.
Zwei Frauen und 25 Männer waren unter den Kandidaten. Sie kamen aus ganz Franken und der Oberpfalz. Zwei der Absolventen erreichten als Durchschnittsnote die 1,0. Zahlreiche Weitere lagen zwischen 1,2 und 1,4 und wurden für ihre besonderen Leistungen mit Urkunden geehrt.
Wie die Freisprechung ablief, haben wir einer Pressemitteilung des EFBZ und einem Bericht in der Frankenpost entnommen: Um das Ritual feierlich zu gestalten, waren extra Steinmetze von der Staatlichen Dombauhütte Regensburg inklusive historischer Steinmetzfahne angereist. Angeführt von dieser Zunftfahne und gefolgt von der Lade mit den Werkzeugen zogen die künftigen Gesellen in die vollbesetzte Werkstatt des Fortbildungszentrums ein.
Es gab Begrüßungsworte, in denen den Ausbildungsbetrieben und den Familien der jungen Leute für die Unterstützung während der Lehrzeit gedankt wurde. Danach bekam jeder Absolvent einen namentlichen Aufruf, kniete auf einem Kissen vor dem Innungsobermeister und dem Landeslehrlingswart nieder und erhielt mit dem Richtscheit einen symbolischen Schlag auf die Schultern.
Gemeint ist das als „letzte Züchtigung“, die es nach dem Ende der Lehrzeit nicht mehr geben darf. Die Frankenpost schrieb dazu: „Auch wenn der Rücken etwas schmerzte… – es war ohne Zweifel ein erhebender Moment für die jungen Gesellen.“
Ausgestattet mit einer neuen Steinmetz-Schürze traten die Kandidaten nun einzeln vor einen aufgebänkten Steinblock. Hier durften sie erstmals als Gesellen mit Schlägel und Spitzeisen arbeiten, das heißt symbolisch einen kräftigen Hieb ausführen, gefolgt von 2 leichten aber schnellen. „Der erste Schlag bedeutet das ruhige Nachdenken. Die zwei geschwinden Schläge bedeuten Fleiß bei der Verrichtung der Arbeit“, so die Frankenpost.
Dann wurden die Zeugnisse und das Dokument der bestandenen Abschlussprüfung überreicht.
Beendet wurde die Zeremonie mit einem gemeinsam gesungenen Zunftlied der Steinmetze, in dem es Sätze gibt wie „Wir dürfen uns nicht schlagen, wir müssen uns vertragen, wir reichen uns die Hand…“ Das offizielle Schlusswort lautete nach alter Tradition: „Zieht nun hinaus in die Welt und bewährt euch als rechtschaffene Handwerksgesellen.“
Untermalt worden war die Zeremonie durch feierliche Musik der Jagdhornbläser Weiden-Neustadt. Die jungen Leute ihrerseits hatten Gelegenheit zu einer Dankesrede.
Vorher hatte Erwin Hornauer als Leiter der Bildungsstätte noch eine Botschaft in eigener Sache an die neuen Gesellen und auch an die anderen Anwesen gerichtet: „Lernen tut man das ganze Leben, dies trifft für alle Lebensbereiche und Lebensabschnitte eines Menschen zu und ist ein starker Motor zum Glücklichsein. Kommt also immer wieder zum Lernen nach Wunsiedel – zum Glücklichsein ins Steinzentrum Wunsiedel.“
Fotos: EFBZ
Autor: Peter Becker
(07.08.2018)