Vertreter der Natursteinverbände aus Ländern in und außerhalb der EU präsentierten die Situation zuhause
Man sei „wie zu einem Familientreffen zusammengekommen“, kommentierte Sini Laine vom finnischen Natursteinverband KIVI die diesjährige Generalversammlung der Euroroc-Mitglieder. Und tatsächlich war auf der Marmomac 2022 dieser Eindruck eines Treffens unter Vertrauten besonders stark: nicht nur, dass man sich endlich ohne Pandemie im Hinterkopf und Maske vor Mund und Nase wieder begrüßen konnte, sondern auch, weil alle Vertreter der nationalen Verbände von denselben Problemen zu berichten hatten: hohe Energiekosten und Mangel bei Facharbeitern.
Euroroc ist der Dachverband der nationalen Natursteinorganisationen in Europa. Zurzeit hat er 17 Mitglieder, darunter auch die Schweiz und die Türkei, die nicht Mitglieder der EU sind.
Eingangs umriss Hermann Graser, alter und neuer Euroroc-Präsident und in derselben Funktion auch beim deutschen Verband DNV, die wirtschaftliche Situation der Branche. In Zeiten von teurer Energie stünde die Gewinnung im Steinbruch vergleichsweise gut da im Vergleich zu den Herstellungskosten für Keramik, Engineered Stone oder Quarzkompositmaterialen, sagte er.
Folglich sieht er Chancen für die Branche trotz der Energiekrise, mahnte aber auch an, dass die Steinbranche die ökologische Stärke ihres Materials umso mehr dem Verbraucher nahebringen müsse. In diesem Zusammenhang plädierte er für ein Mindestmaß an Zusammenhalt: bei ihrem Konkurrenzkampf „sollten die Firmen nicht Naturstein mit Naturstein vergleichen, sondern ihre Natursteine mit andern Materialien“.
Als Beispiel, wie sich sich die „grüne“ Stärke des Steins anschaulich vermitteln lässt, verwies er auf die Altstädte in Europa: in den uralten Gebäuden werde die lange Haltbarkeit der Steine und folglich der effiziente Energieeinsatz bei Gewinnung und Verwendung anschaulich unter Beweis gestellt.
Überhaupt zeige der Blick zurück bei vielen Gelegenheiten, dass Kreislaufwirtschaft schon lange vor der Moderne praktiziert wurde.
Für einheimische Materialien konstatierte er besonders gute Aussichten.
Der Sozialverträglichkeit bei Gewinnung und Verarbeitung von Naturstein widmete sich Matt Robb von der Stone Federation Great Britain in einer Präsentation des Ethical Stone Registers, das der Verband 2016 ins Leben gerufen hatte. Es hat verschiedene Stufen, beginnt mit einer Selbsterklärung (Declaration) der Firmen und geht über 2 weitere Ebenen (Verification, Accreditation) zu Faktenchecks zu den Gegebenheiten vor Ort.
Einvernehmen unter den Teilnehmern der Generalversammlung gab es über den gravierenden Mangel nicht nur an Fachkräften sondern generell an Nachwuchs, der die ganze Branche umtreibt. Teils resultiert dieses Personalproblem daher, dass die Berufe und die Karrieremöglichkeiten in der Öffentlichkeit nicht als interessant gelten, teils liegt es einfach am demographischen Wandel.
Auf EU-Ebene findet dazu das Projekt „Inclusive Stone“ statt, über das Reiner Krug vom deutschen Verband berichtete: damit will man Benachteiligte und Ältere für eine Arbeit in der Steinbranche gewinnen. Denn: an die Stelle der körperlich schweren Arbeit seien inzwischen vielfach Tätigkeiten an CNC-Maschinen oder im Büro getreten. In dem Projekt geht es zunächst einmal darum, geeignete Bereiche in den Firmen ausfindig zu machen und dann Lernmaterialien dafür zu entwickeln.
Initiator bei solchen Projekten ist das spanische Centro Technológica del Mármol, das über das Know-how verfügt, um in Brüssel solche Projekte an Land zu ziehen. Wichtig ist dabei immer, dass es Mitwirkende aus verschiedenen Ländern gibt.
Zum Fachkräftemangel brachte Sini Laine aus Finnland die unterschiedlichen Bemühungen auf einen Nenner: „Wir versuchen, die Branche attractiv zu machen.“ In ihrem Heimatland gibt es – wie auch anderswo – das Problem, dass trotz guter Nachfrage viele Kleinbetriebe vom Markt verschwinden, wenn der Chef das Rentenalter erreicht.
In Großbritannien hat der Verband deshalb die „Talent Connection“ ins Leben gerufen, die eine Webpage für Personalvermittlung ist. Eine andere britische Initiative setzt erfahrene Mitarbeiter als Mentoren für Neulinge ein.
Diskutiert wurde auch der Mangel an konkreten Daten, die die Steinbranche über die Wünsche ihrer Verbraucher hat. Auf der einen Seite bewundern sie die Schönheit des Materials, die Rolle, die es in der Geschichte der Menschheit gespielt hat, die Patina, die es im Laufe der Jahre bekommt. Aber andererseits, für welche Eigenschaften sind sie bereit, Geld auszugeben?
Kai Marklin, Präsident des schwedischen Sveriges Stenindustriförbund, stellte die Ergebnisse der drei Verbraucherstudien vor, die sein Verband bisher durchgeführt hat, und Reiner Krug vom Deutschen Verband gab einen Einblick in die Ergebnisse seiner Umfrage.
Stone Fed GB: Ethical Stone Register
Stone Fed GB: Talent Connection
Studie des Sveriges Stenindustriförbund
(21.11.2022)