Es gibt mal wieder Neues zu vermelden zur Calçada Portuguesa, dem künstlerischen Kleinsteinpflaster: wieder handelt es sich um eine Veröffentlichung, und wieder kommt sie von Ernesto Matos, der das Thema unbeirrt immer wieder auf die Tagesordnung bringt. Wir erinnern uns: diese Art der Pflasterung wurde um 1850 von den Portugiesen in die ganze Welt getragen, kam nach dem 2. Weltkrieg aus der Mode, und auch die Initiative, die sie kürzlich in den Rang eines Kulturerbes der Menschheit erheben wollte, ist zuletzt vermutlich irgendwo in Portugals Hauptstadt Lissabon in den Fugen des Trottoirs versickert.
Nun hat Matos, Künstler und Kunstgeschichtler, sich der Weltausstellung 1998 in seiner Heimatstadt angenommen und detailliert einen Teil der damals im Parque das Nações ausgelegten Pflaster beschrieben und eingeordnet.
Sein Text ist als einer der Beiträge in einer akademischen Schrift über die Bildhauerei erschienen und kann kostenlos heruntergeladen werden. Leider ist er nur auf portugiesisch verfügbar. Aber allein schon das Anschauen der Bilder lohnt sich. Aufnahmen findet man auf der Webpage Get Lisbon über die Sehenswürdigkeiten dort, zu der wir ebenfalls verlinkt haben.
Thema der Weltausstellung war „Ozeane“. Einige der Pflasterkünstler haben es aufgegriffen. Sieben der insgesamt 14 Arbeiten beschreibt Matos.
Zum Beispiel „Monstros Marinhos“ (Monster des Meeres) des Künstlers Pedro Proença (Foto ganz oben): gelegen am Kai der Argonauten, war wohl diese antike Sage Anlass, mal wieder Meeresungeheuer zu kreieren. So findet man dort einen Kreis von Seesternen, bei denen ein Arm zu einem Bart geworden ist, mit dem sie aneinander hängen, oder eine Hydra, die Ihre Fangarme hübsch geschmückt in die Höhe hält.
Der Höhepunkt der gezeigten Werke ist „Sodáde“, von dem Künstler Rigo. Man schaut von oben auf einen sitzenden Pflasterer an dem einen Ende des Bandes und auf eine Klöpplerin am anderen Ende, und dazwischen gehen die Arbeiten, die sie geschaffen haben, ineinander über. Das ist schon ganz große Kunst, mit geschätzten 25 m Länge auch im wörtlichen Sinn.
Matos sieht in diesen Arbeiten einen „ästhetischen Impuls“ für die Calçada Portuguesa. Die Weltausstellung habe enorme Möglichkeiten geboten und die Künstler hätten diese genutzt. Möglichkeiten ergaben sich auch insofern, dass wirklich große Flächen gestaltet werden konnten.
Ein Beispiel für solch eine Arbeit ist „Mar Largo“ (Weites Meer) von Fernando Conduto. Der Künstler, 1937 geboren und damit eine Generation älter als die meisten anderen Mitwirkenden, habe Wellen quer über die Fläche am Ufer des Flusses Teijo gezogen, schreiben die Kritiker. Wir widersprechen dem und meinen, es wäre Seegras in den Linien abgebildet worden. Zu erwähnen ist, dass der Künstler bestimmte Teilstücke geschaffen hat, so dass die Verlegung beschleunigt und verbilligt werden konnte.
Noch 2 Beispiele für einen anderen Stil, bei dem die eigentlich flächige Calçada Portuguesa auf Linien reduziert wurde.
„Penelope“ von Fernanda Fragateiro zeigt ein Stickmuster und erinnert an die Ehefrau des seefahrenden Odysseus, die so lange auf die Wiederkehr ihres Helden warten musste; „Ohne Titel“ von Pedra Calapez ist ein Arrangement von grafischen Linien, in denen man vielleicht Kinderzeichnungen mit schiefen Häusern entdecken kann. Die Pflasterung, traditionell durch einen Außenrand eingegrenzt, verläuft sich hier in der Umgebung.
Ernesto Matos, „The artistic cobblestone at the 1998 Lisbon World Exhibition,
a paradigmatic renewal in the Public Art panorama“ (portugiesisch)
Get Lisbon (portugiesisch)
(31.03.2023)