Design: Farbenspiele tief drin im Stein

(Juli 2012) Der Untertitel sagt alles: „Nature evolved“ (Natur weiterentwickelt) steht im Logo der brasilianischen Firma Crystaline Stone. Sie verändert die Farben der Natursteine radikal, und dies gleich in mehrerlei Hinsicht: zum einen gibt sie zum Beispiel einem Marmor Farbtöne, die er in der Natur nicht hat, zum anderen kann sie einer einzigen Platte eine ganze Palette an verschiedenen Farbtönen mitgeben. Mehr noch: ganz tief im Mikrogefüge des Steins werden Veränderungen vorgenommen, die auch die Eigenschaften des Steins verändern.

Auf der diesjährigen Messe Coverings haben wir mit Pedro Deccaché geredet, der das Verfahren über etwa 10 Jahre und mit einem Aufwand von etwa 20 Millionen US-$ für die Muttergesellschaft Royal Group entwickelt hat. Die Firma ist im Moment dabei, ihren Bunt-Stein auf den US-Markt zu bringen. Seit etwa 5 Jahren gibt es ihn schon in Brasilien, und auch in Europa kann man ihn bekommen.

Für Deccaché steht fest, dass die Zeit gekommen ist, dem Stein sozusagen an die Substanz zu gehen: „Die Architekten und Designer wollen heute andere Farben, als sie die Natur hat – wir stellen das Gewünschte her.“ Als Begründung führt er auch Umweltaspekte an: „Weil die Architekten außergewöhnliche Farben wollen, werden heute seltene Steinsorten abgebaut – wir hingegen können außergewöhnliche Farben gewöhnlichen Sorten geben.“

Was das Eingreifen in die Natur angeht, verweist Deccaché auf Materialien wie das Eisenerz: das ist eigentlich auch ein Gestein, zeigt aber nach dem Einschmelzen seine Metalleigenschaften, die sich beim Stahl durch gezielte Zusatzstoffe auch noch in bestimmte Richtungen verändern lassen.

„Intercrystalline Coloring“ (Interkristallines Färben) nennt sich das Verfahren, das zum Bunt-Stein führt: in einem Tank werden mit Hilfe von Wärme, Vakuum und Druck die Poren des Steins geöffnet, so dass die Farb-Flüssigkeit in die Mikroräume zwischen den Kristallen eindringen und sie auffüllen kann. Dieses Durchdringen des Materials ist die Voraussetzung dafür, dass die neue Tönung dauerhaft hält. Bei Marmor beträgt die maximale Dicke der Durchdringung 2-3 cm, bei Granit 1 cm.

Nach Firmenangaben hat das Auffüllen der Zwischenräume zwischen den Kristallen noch weitere gewünschte Effekte: es verstärkt den Stein, gibt ihm außerdem eine wirksame Imprägnierung nach außen und macht ihn brillanter und eher transparent.

Als Farbstoffe dienen natürliche Pigmente auf mineralischer oder Pflanzenbasis. Fürs Rot nehme er Urucum (Bixa orellana), verrät Deccaché. Diesen Farbstoff benutzten schon die Indios für ihre Körperbemalung. „Die richtige Mischung der Substanzen haben wir in unendlichen Versuchen herausgefunden“, sagt er, „das Schwierige dabei war, das alles mit allem zusammenhängt.“

Im praktischen Einsatz brauchen die Bunt-Steins nur dieselbe Pflege wie die naturbelassenen Materialien. Für den Außeneinsatz gilt dasselbe.

Man mag darüber streiten, ob diese Art von „Evolution“ eine Entwicklung in die richtige Richtung ist, anders ausgedrückt: ob ein Architekt oder Designer, dem die Farbenpalette der Natur nicht ausreicht, nicht besser auf einen Engineered Stone ausweicht. Jedoch gibt es in Brasilien schon eine große Nachfrage.

Viel interessanter ist deshalb die Frage, was eigentlich die Künstler mit dieser Technologie anfangen würden, wenn man sie heranließe. Denn, wie gesagt, es ist jede Art von Farbenspiel möglich.

Crystaline Stone

Royal Group (portugiesisch)

Fotos: Crystaline Stone / Peter Becker