Der neue Wirtschaftsraum von China bis Neuseeland bietet der gesamten Steinbranche große Chancen
Die neue Freihandelszone in Fernost mit dem Titel RCEP (ausgeschrieben: Regional Comprehensive Economic Partnership = Regionale Umfassende Wirtschaftspartnerschaft) wird große Auswirkungen auf die Natursteinbranche weltweit haben. Denn für die 15 Unterzeichnerstatten des Vertrages fallen künftig die Importzölle untereinander für Endprodukte aus Stein weg. Das heißt auch: ohne die Zölle wird China zu einem neuen Zielland für solche Produkte werden, und der bisherige wichtigste Abnehmer, die USA, wird an Bedeutung verlieren.
Man kann vorhersagen: auch Lieferländer solcher Endprodukte von außerhalb der RCEP – die südeuropäischen Länder und die Türkei – werden sich über Umwege Zugang zu der Freihandelszone verschaffen, um ihre Produkte zollfrei nach China und auf die anderen Märkte dort zu bringen.
Mit dem RCEP-Abkommen entsteht die größte Freihandelszone der Welt mit, laut Wikipedia, 2,2 Milliarden Menschen (Europäische Union nach dem Brexit: 380 Millionen; USA: 328 Millionen). Der Vertrag wurde am 15. November 2020 unterzeichnet. Er betrifft den gesamten Wirtschaftsraum Fernost und Pazifik, wo die Wirtschaften mancher Länder jährliche Wachstumsraten von 5% und mehr haben. RCEP-Mitlieder sind China, Japan, Südkorea, Australien, Neuseeland sowie die 10 ASEAN-Staaten (Brunei, Kambodscha, Indonesien, Laos, Malaysia, Myanmar, Philippinen, Singapur, Thailand, Vietnam).
Indien schied 2019 aus den Verhandlungen aus, weil es Nachteile für einzelne Bereiche seiner Wirtschaft befürchtete.
Die RCEP verstärkt einen Trend, den Dr. Carlo Montani in seinem aktuellen Statistik-Jahrbuch „XXXI Rapparto marmo e pietre nel mondo 2020 / „XXXI Report marble and stones in the world 2020” herausstellt: was die Gewinnung von Naturstein angeht, kommen inzwischen 56% der weltweiten Produktion vom asiatischen Kontinent, und das aus 3 Ländern nämlich Indien, China und der Türkei.
Die RCEP wird aber vor allem wichtig für Naturstein-Endprodukte. Der chinesische Verband China Stone Material Association (CSMA) schrieb uns auf unsere Bitte um eine Bewertung der Freihandelszone: „China wird mehr Halbfertig- und Fertigprodukte aus RCEP-Ländern einführen.“
Einen Hinweis auf das Interesse Chinas am Import von Endprodukten hatte kürzlich schon der CSMA-Präsident in einem interview gegeben: „Die Aufwertung des Konsums (in China) bringt eine starke Nachfrage nach Importgütern mit sich.“
Die RCEP wird aber auch auf den Weltmarkt für Naturstein-Technologie Auswirkungen haben: „Chinas Investitionen in den ASEAN-Staaten werden deutlich steigen und genauso der Export von chinesischem Stein-Equipment“, so der Verband.
Sonderregelungen bezüglich der Einfuhrzölle von Naturstein-Endprodukten gelten für Südkorea.
Was den Zugang zum RCEP-Raum für Lieferanten von außen angeht, scheint die Türkei besonders gut aufgestellt zu sein. Deren Verband IMIB hatte in den vergangenen Jahren mit Unterstützung der Regierung große Anstrengungen unternommen, in Fernorst eigene Natursteinmessen (mit internationaler Beteiligung) auf die Beine zu stellen. Zwar war die Singapore Stone Show ein Flop, ein Erfolg aber ist die Jakarta Stone Fair, die 2021 zum 3. Mal stattfinden soll. Indonesien, mit über 200 Millionen Bürgern einer der größten muslimischen Staaten der Erde, gilt als Hotspot des Wirtschaftswachstums in der Region.
Die großen Player in der Freihandelszone sind neben China Australien, Südkorea und Japan. In Südkorea und Japan hat China als Lieferant den Natursteinmarkt fest im Griff. Dort ist die nationale Gewinnung vergleichsweise gering.
Vietnam aber gilt sowohl bei der eigenen Produktion als auch bei den Importen als aufstrebender Newcomer. Nach dort hat schon der 2. große türkische Verband, die Aegean Minerals and Natural Stones Exporters Association (EMIB), seine Fühler ausgestreckt. Dieser Tage wurde eine „Digitale Naturstein-Handelsdelegation“ nach dort geschickt. „Der vietnamesische Natursteinmakrt wird in den kommenden Jahren um 10% wachsen“, heißt es in einer Presseerklärung.
Neuseeland hat bisher nur einen geringen Verbrauch an Naturstein.
Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Europäische Union im Juni 2020 ein Freihandelsabkommen mit Vietnam geschlossen hat. Italiens Natursteinverband Confindustria Marmomacchine hat schon Kontakte nach dort aufgebaut.
Stellungnahme der ASEAN-Staaten zu der neuen Freihandelszone
Das Buch „XXXI Rapporto marmo e pietre nel mundo 2020 / XXXI Report Marble and Stones in the World 2020“ ist zweisprachig (Italienisch und Englisch), hat gut 280 Seiten und ist bei Aldus Casa di Edizioni, Carrara erschienen.
Es kann für 30 € als pdf von der Webpage des Verlages heruntergeladen werden.
(30.11.2020)