Auf unserer Liste für die Zeit nach Corona: Berninis Vierströmebrunnen in Rom

Fontana dei Quattro Fiume. Foto: jimmyweee / <a href="https://commons.wikimedia.org/"target="_blank">Wikimedia Commons</a>, <a href=" https://en.wikipedia.org/wiki/Creative_Commons_license"target="_blank">Creative Commons License</a>

Das Kunstwerk auf der Piazza Navona symbolisiert die damals bekannte Welt und ist in vielerlei Hinsicht Großes Kino

Gianlorenzo Bernini (1598-1680), auch Giovanni Lorenzo Bernini, prägte die Bildhauerei wie kein anderer nach Michelangelo. Eines seiner Markenzeichen war, wie er die Skulptur mit der Architektur verband. Das kann man auch an seinem Vierströmebrunnen auf Roms Piazza Navona sehen. Dargestellt ist hier die damals bekannte Welt der 4 Kontinente am Beispiel ihrer größten Ströme: des Ganges, des Rio de la Plata, des Nils und der Donau.

Australien als 5. Kontinent wurde von Europäern erstmals 1606 durch den Niederländer Willem Janz betreten.

Den Brunnen kann man in ein Wort fassen: er ist ganz Großes Kino.

In der Mitte des Beckens erhebt sich ein gewaltiger Felsen aus Travertin mit den 4 Flussgöttern an den Seiten und einem 21 m hohen Obelisk obendrauf. Der Felsen ist übrigens hohl – was für die damalige Zeit eine sensationelle Konstruktion war.

Wasser schießt in Strömen überall aus diesem Felsen hervor – das war wahrscheinlich nicht nur gemeint als Spektakel. Vielleicht war es eine Art von zeitgemäßem Youtube-Videoclip als Kommentar Berninis zu Athanasius Kirchers damaliger Welterklärung: der zu jener Zeit führende Wissenschaftler hatte nämlich, um Ebbe und Flut zu erklären, sich die Erdkugel als ausgehöhlt vorgestellt, so dass es zwischen den Ozeanen an der Oberfläche und den Meeren im Inneren einen Austausch geben sollte.

Fontana dei Quattro Fiume (v.l.n.r.): Ganges, Nil, Rio de la Plata. Foto: Yair Haklai / <a href="https://commons.wikimedia.org/"target="_blank">Wikimedia Commons</a>, <a href=" https://en.wikipedia.org/wiki/Creative_Commons_license"target="_blank">Creative Commons License</a>

Der Brunnen gab die perfekte Inszenierung dazu.

Kircher taucht noch an anderer Stelle auf: an den Seiten des Obelisken gibt es nämlich 4 Tafeln mit lateinischen Texten, und diese sind Kirchers Übersetzungen der Hieroglyphen auf dem Granit des Obelisken.

Dessen Stein stammt zwar aus der Gegend um Assuan, wurde aber nicht in Ägypten behauen. Vielmehr handelt es sich um die römische Kopie eines Vorbilds aus pharaonischen Zeiten, die seit den Zeiten der alten Römer nahe der Via Appia vergraben gewesen war, und die Papst Innozenz X., der Auftraggeber des Brunnens, hatte wiederverwenden lassen.

Barocke Pracht zeigen die seitlich am Felsen platzierten Figuren der Flussgötter: wie in vielen Vorgängerbrunnen sitzen oder liegen sie da, lümmeln sich ein wenig, und sind umgeben von zahlreichen Details, aus denen der Betrachter erschließen kann, wer jeweils dargestellt ist: neben dem Ganges kommt ein majestätischer Löwe vom Felsen herab, um Wasser zu schlecken, neben dem Rio de la Plata klirren ein paar Münzen herab, was an die Silberschätze Lateinamerikas erinnert, neben der Donau kommt ein ungezähmtes Pferd aus dem Fels, welches auf die ungarische Prärie Bezug nimmt.

Fontana dei Quattro Fiume. Foto: Ragusaible / <a href="https://commons.wikimedia.org/"target="_blank">Wikimedia Commons</a>, <a href=" https://en.wikipedia.org/wiki/Creative_Commons_license"target="_blank">Creative Commons License</a>Fontana dei Quattro Fiume. Foto: Sailko / <a href="https://commons.wikimedia.org/"target="_blank">Wikimedia Commons</a>, <a href=" https://en.wikipedia.org/wiki/Creative_Commons_license"target="_blank">Creative Commons License</a>

Es ist Großes Kino, wie gesagt. Man findet viele seltsame Fische, Delfine und Seeschlangen, bevorzugt mit aufgerissenen Mäulern, beim Rio de la Plata aber auch ein friedsames Gürteltier, das damals noch niemand aus Europa gesehen hatte.

Die Taube ganz oben auf dem Obelisken trägt eine tiefe politische Botschaft: sie unterstreicht, dass der Vatikan und mit ihm der christliche Glaube die ganze Welt beherrscht.

Geschaffen wurden die Figuren von den Mitarbeitern des Meisters: der Ganges von Claude Poussin (1651), der Rio de la Plata von Francesco Baratta (1651), die Donau von Antonio Raggi (1650) und der Nil von Giacomo Antonio Fancelli (1650). Den Felsen selbst gestaltete Giovanni Maria Franchi (1648).

Der Nil bringt uns zum letzten Aspekt des Großen Kinos, das hier aufgeführt ist: den Geschichten rund um das Kunstwerk als solches – Hollywood eben, Boulevardpresse und Social Media.

Vor allem geht es um die Erhöhung des Meisters Bernini gegenüber seinen Konkurrenten, hier insbesondere um Francesco Borromini, dem die Rolle des bösen Gegenspielers zukommt.

Denn der Gott des Nils hat sich ein Tuch über den Kopf gezogen – böse Zungen deuteten das süffisant so, dass die Figur den Blick auf eine Fassade von Borromini direkt gegenüber nicht ertragen konnte. In Wirklichkeit wird dargestellt, dass damals die Quellen des Flusses noch unbekannt waren.

Oder: in der ersten Zeit nach der Inbetriebnahme warnten Kritiker davor, dass die Hohlkonstruktion unter dem Obelisken zusammenbrechen müsse. Bernini soll daraufhin vier dünne Schnüre in verschiedenen Richtungen von der Taube nach unten gespannt und gespottet haben, dass es in Wirklichkeit diese Schnüre seien, die die ganze Konstruktion zusammenhielten.

Bernini: „Animas“. Foto: <a href="https://commons.wikimedia.org/"target="_blank">Wikimedia Commons</a>, <a href=" https://en.wikipedia.org/wiki/Creative_Commons_license"target="_blank">Creative Commons License</a>

Vorhang zu, Licht an und Gegenwart: Kürzlich wurden in anderem Zusammenhang 2 von Berninis Werken neu interpretiert: die „Animas“, bisher verstanden als Darstellungen einer gesegneten Seele im Paradies beziehungsweise als Seele eines Verdammten in der Hölle, interpretiert ein spanischer Professor als profane Nymphe beziehungsweise als Satyr aus der antiken Mythologie.

Und: das Auktionshaus Sotheby’s lässt in seiner Serie „Expert Voices“ Margaret Schwartz, Senior Worldwide Specialist for European Works of Art & Sculpture, Berninis Bedeutung für die Kunst herausarbeiten:

See also:

(05.02.2021)