Die Objekte als Zwitter zwischen Kunst und Produktdesign zeichnen sich durch schöne Form und zumindest ein gewisse Verwendbarkeit aus
Wir hatten in der Vergangenheit häufig Naturstein-Designer dafür kritisiert, dass ihre Kreationen zwar spektakulär, aber nicht funktionell waren. Das heißt: solche Objekte sind kein Produktdesign, weil sie sich nicht im Alltag verwenden lassen, sind aber auch nicht Kunst, weil sie doch sehr nahe an Alltagsobjekten sind. Nun taucht in der öffentlichen Diskussion vermehrt der Begriff „Skulpturen mit Funktion“ auf, manchmal ist auch die Rede von „Skulpturen für den Alltag“.
Das ist tatsächlich ein interessantes Thema für die Steinbranche.
Theoretisch betrachtet sind die „Skulpturen mit Funktion“ Zwitterdinge zwischen Kunst und Produktdesign: einerseits haben sie den Schwerpunkt ihrer Gestaltung hauptsächlich auf der Form, also auf ihrem Aussehen, andererseits aber erfüllen sie auch die Ansprüche an eine Verwendung im Alltag.
Die Vielfalt der Ideen ist inzwischen groß. Zeigen wir ein paar Beispiele wie den Tisch „Anazasi“ der italienischen Firma Laboratorio del Marmo (Grassi Pietre) auf dem Bild ganz oben. Die Kollektion nennt sich „Scultura Contemporanea“ (Zeitgenössische Skulptur).
Ein anderes Beispiel ist die Vase „Svelata“ von Moreno Ratti für die Firma Matter of Stuff: eigentlich bringt sie viel zu viel Gewicht für solch einen Zweck mit, andererseits aber ist sie zweifellos aus einer künstlerischen Arbeit am Stein entstanden.
Ein Blick in die Geschichte des Naturstein-Designs zeigt, dass solche Arbeiten eigentlich nicht neu sind. Vielmehr gehört vieles, was in den letzten Jahrzehnten als Naturstein-Produktdesign auf den Markt gekommen ist, in Wirklichkeit in die Zwitter-Kategorie.
Ein Beispiel sind die Arbeiten von Angelo Mangiarotti, der im Allgemeinen als einer der Väter des Stein-Design gilt. Schaut man sich zum Beispiel seine Tische „Eccentrico“ und das Regal „Loico“ an, sieht man, dass sie für einen Gebrauch viel zu viel Gewicht mitbringen: der große Tisch wiegt komplett gut 300 kg und beim Regal kommt eine Säule alleine auf 45 kg und ein Brett auf 57 kg.
Zweifellos aber bestechen sie mit ihrer großartigen Form und der ungewöhnlichen künstlerischen Idee.
Anzumerken ist hier, dass auch Mangiarotti in seinem beruflichen Leben eine Zwitterrolle spielte: zunächst galt er als Produktdesigner, im Alter war die Bildhauerei seine große Leidenschaft.
Ein anderes Beispiel sind Badewannen aus Massivstein. Sie zeigen oft ausgefallene Designerideen und haben deshalb einen hohen Dekorationswert, eignen sich jedoch nicht für den eigentlichen Zweck. Das liegt darin, dass die Designer nie an eine Heizung denken, die es bräuchte, um diese manchmal über 1 t schweren Steingebilde vor der Befüllung auf die Temperatur des Badewassers zu bringen.
Weniger Probleme bei der Nutzung bereiten Waschbecken aus Massivstein. Wir zeigen eine Arbeit des brasilianischen Designers Ludson Zampirolli. Auch hier trägt der Stein nichts zur Funktionaliät des Objekts bei; er ist nur Dekor, macht das Objekt aber aufgrund seiner Besonderheit interessant für bestimmte Käuferschichten.
Formulieren wir ein paar Beobachtungen:
* „Skulpturen mit Funktion“ liegen üblicherweise von den Preisen her deutlich über vergleichbaren Objekten aus anderen Materialien;
* sie werden nicht in Massenproduktion hergestellt;
* aus dem Blickwinkel der Steinproduzenten betrachtet, ergibt sich: weil sie nur Einzelstücke sind, bringen sie keine zusätzliche Nachfrage nach Stein. Allerdings tragen sie zum Marketing für das Material bei, weil sie auf Messen oder in der Designszene herumgezeigt werden können.
Schließlich: es gibt neben den Skulpturen mit Funktion, den wirklichen Kunstobjekten und dem wirklichen Produktdesign noch eine 4. Kategorie. Wir wollen sie als „Juxobjekte“ bezeichnen.
Ihr Kennzeichen ist, dass hier einfach der Naturstein ein anderes und für diese Verwendung bewährtes Material ersetzt. Naturstein ist hier also eigentlich am falschen Ort.
Die Funktion der Juxobjekte ist, dass sie überraschen und zum Lachen bringen wollen.
Zum Beispiel der Flaschenöffner aus Naturstein der Firma StoneLabDesign. Hier wird gleich doppelt mit den Erwartungen der Verbraucher gespielt: erstens werden solche Werkzeuge normalerweise nur auf Baustellen kreiert und benutzt, wo die coolen Jungs mit einem Nagel und einem Stück Holz schnell ein Werkzeug für das Feierabendbier zimmern. Zweitens aber: das Objekt aus Stein funktioniert tatsächlich, und es ist sogar noch sehr haltbar.
Natürlich gibt es auch schon den Falschenöffner in der handelsüblichen Variante mit Naturstein, hier ein Beispiel von Pietre di Monitillo.
Fotos: Firmen
(28.10.2019)