Gewicht, Härte, Langlebigkeit und Schönheit sind nur einige der Besonderheiten, die das Material auszeichnen und die der Designer nutzen kann
Im 1. Teil unserer Serie hatten wir geklärt, was Produktdesign mit Naturstein überhaupt ist. In diesem 2. Teil geht es um materialgerechtes Design, also um die Frage, was der Stein kann und wie ein Designer damit die Funktion eines Objektes unterstützen kann.
1) Gewicht. Eine Eigenschaft von Naturstein ist sein hohes Gewicht. „Stein kann schwer“ hatten wir im 1. Teil der Serie geschrieben, und einige erzürnte Leser haben uns beschimpft, dass wir die Sprache verhunzen wollten.
Wir zeigen (ganz oben) zum selben Aspekt ein Objekt, das den Gedanken des Designs MIT Stein aus dem 1. Teil der Serie aufgreift: wieder sind es Türstopper, diesmal von dem Italiener Raffaele Familari und in einer Komposition von Marmor, Holz und Leder.
Design MIT Stein aus Brasilien: freistehende Garderobe „Mancebo“ aus einheimischem Naturstein und Holz (Designerin Claudia Moreira Salles für die Firma Brasigran):
Für Steinfirmen stellt sich hier gleich die Frage: lohnt sich solch ein Objekt überhaupt, wo doch nur wenig Stein zum Steinsatz kommt?
In einer späteren Folge unsere Serie werden wir ausführlich darauf eingehen. An dieser Stelle nur ein Gesichtspunkt: Produktdesign lohnt sich auf jeden Fall, weil es wie ein kostenloses Marketing für das Material funktioniert – es bringt die Schönheit des Steins dem privaten Kunden sowie den Designern und Architekten nahe.
Noch ein Beispiel, diesmal als Design AUS Stein: Buchstützen. Das Design stammt von Line Møller Mærsk für die norwegische Firma Lundhs. Die Oberseite ist roh belassen, was das hohe Alter und die Natürlichkeit des Materials herausstellt. Zwei Kilogramm wiegt das Stück, verwendet werden dafür wieder Reststücke aus der Produktion.
https://www.stone-ideas.com/80176/lundhs-buchstutzen-aus-larvikit/
2) Härte. „Stein kann hart“, wollen wir trotz des Leserzorns wiederum formulieren. Seit Jahrtausenden kommt Stein im Straßenpflaster zum Einsatz. Die Calçada Portuguesa, ein Mosaik aus meist hellem Kalkstein und dunklem Basalt und gelegentlich auch andersfarbigen Sorten, gilt seit Jahrhunderten als der Höhepunkt dieser Kunst.
Neuerdings tauchen aber auch hier moderne Ideen auf, wie zum Beispiel die Hüpfspiele der italienischen Firma Animum Ludendo Coles. In vielen italienischen Städten begleiten die Muster die Kinder beim Heranwachsen. Unser Foto zeigt eine Seitenstraße in Verona, wo die Steine seit Jahren ihren Dienst tun.
https://www.stone-ideas.com/84395/naturstein-hupfspiele-animum-ludendo-coles/
Die Härte des Steins hat vermutlich den schwedischen Designer Erik Olovsson zu seinen Vasen der Serie „Drill“ inspiriert. Die Reststücke aus der Steinverarbeitung legen sich hier wie schützend um das zerbrechliche Glas. Das Glas seinerseits übernimmt die Rolle von Bohrkernen:
https://www.stone-ideas.com/77001/drill-neue-vasen-kollektion-von-erik-olovsson/
3) Langlebigkeit. Unmittelbar mit der Härte verbunden ist die Langlebigkeit von Naturstein. Offenkundig und allgemein bekannt ist, dass Stein in zahlreichen Zyklen wiederverwendet werden kann, bis zuletzt Split oder Schotter für den Garten übrigbleibt. Die Natur führt das seit Jahrmillionen im Kreislauf der Gesteine vor.
Interessant dabei ist, dass wiederverwendeter Stein beim Kunden ein ebenso hohes Ansehen genießt wie das Ursprungsprodukt. Diese Erfahrung haben in den USA Firmen gemacht, die sich dem Einsammeln und Wiederverwenden von Stein verschrieben haben.
Eine Besonderheit von Naturstein in diesem Sinne ist auch, dass er wertbeständig ist. Die Bandbreite reicht dabei von der Patina der Marmorbeläge, die eine Altstadt wie die von Verona erst so richtig wertvoll macht, bis hin zu einer Wertverbesserung im Eigenheim etwa durch eine Küchenarbeitsplatte aus Stein.
4) Energiespeicher. Die Kompaktheit des Materials Stein gibt ihm eine große Puffermasse für Wärme und genauso für Kälte. Beim neuen Berliner Flughafen BER hilft der Bodenbelag aus Naturstein der Fußbodenheizung beziehungsweise -kühlung. Schon den Altvorderen in den warmen Ländern war bekannt, dass Marmor im Innenhof eines Gebäudes die Temperaturen stabilisieren und zu einem erträglichen Raumklima beitragen kann. Zunehmend beschäftigen sich junge Architekten wieder mit diesem Thema.
Konditoren nutzen heute wieder dicke Steinplatten, etwa um spezielle Süßigkeiten (Fudge) herzustellen.
https://www.stone-ideas.com/58849/marmor-dient-in-bonbon-manufakturen-als-arbeitsplatte/
5) Ein natürliches Material. Während im Industriezeitalter im 20. Jahrhundert die industrielle Gleichförmigkeit etwa der Oberflächen von Fliesen beim Verbraucher sehr beliebt war, hat heute Natürlichkeit einen höheren Rang. Geschätzt wird von den Kunden heute, dass jeder Stein ein Unikat ist.
Die Adern im Stein werden von Gestaltern gerne genutzt, um zum Beispiel an einer Wand spezielle Akzente zu setzen wie auf dem Foto im Hochhaus Two Union Square in Seattle (Architekten: NBBJ).
https://www.stone-ideas.com/78920/hochhaus-two-union-square-in-seattle/
6) Stein hat eine Oberfläche, die man gerne anfasst. Der Bildhauer Henry Moore verlangte explizit, dass die Ausstellungsbesucher seine Werke berühren sollten.
https://www.stone-ideas.com/34339/forum-touch-me-beruhr-mich-ruft-der-naturstein/
Weitere Eigenschaften von Stein wollen wir nur noch erwähnen:
7) Stein trägt Heimat in sich.
8) Stein ist schön. Das war seit der Antike der wichtigste Aspekt, um vor allem Marmor einzusetzen. Über die bloße Schönheit hinaus hat Stein sogar einen geheimnisvollen Zauber.
Unsere Liste ist nicht vollständig, sondern nur ein erster Versuch. Schicken Sie uns Ihre eigenen Analysen (an: Peter Becker, Mail).
Im 3. Teil unserer Serie werden wir uns mit dem aktuellen Trend im Stein-Design beschäftigen: neben dem Design AUS Stein, das man meist auf Steinmessen sieht, gibt es auch das Design MIT Stein, das sehr erfolgreich auf Messen für Design oder Architektur gezeigt wird.
(28.07.2021)